Safari in Rom

© ahnungsvoll / 'Licht und Zeit im Vatikan' / Vatikanstadt / 2009

  

Reise in die Hauptstadt der Katholiken, 
Staufetischisten und Italiens 

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Von Hubertus J. Schwarz   22. Mai 2009


Rom, Italien – Rom war und ist nie das gewesen was wir und ich uns erhofften. Die Ankunft nach zehrenden Stunden Fahrt war wenig mehr als ein Geplänkel mit motorisierten Strauchdieben, im Gegensatz zu diesem epischen Schlachtengetümmel, das sich da Berufsverkehr schimpft.

Die Italiener fahren durchweg sehr anständig, und versucht normal. Das, was die sprichwörtlich römische Fahrweise ausmacht ist schlicht durch die Menge der Pendler und dementsprechend nicht ausreichende Breite der Straßen gegeben. Es ist ein Limbus aus Fleisch, Metall und Gummi.

Zusammengehalten wird diese Vorhölle von Verkehrssituation durch die Luft, die in ihrer Konsistent in etwa mit der Beschaffenheit von Ketchup vergleichbar ist. Dementsprechend sehe ich rot. Und meine vormals nur schlechte Stimmung mutiert zu einer Bestie in Emotionsgestalt.

Diese Erkenntnis ändert meine Situation selbstverständlich grundlegend. Nun stolziere ich, im Wissen meiner geistigen, vollkommenen Überlegenheit durch die Straßen, achte weder rot noch grün, noch die Rufe eilfertiger Passanten und siehe da, die Menge teilt sich wie das rote Meer vor Mose. Triumph! Letzen Endes war ich mir nicht mehr sicher, ob nicht doch mein epileptisches Zucken und der manische Blick, die Menge hat weichen lassen, denn meine eingebildete Überlegenheit im Geiste.
Mit zunehmender Temperatur steigt die Zahl der dehydrierten Wasserleichen am Rande der Straße dramatisch an, gut so, mehr Platz für mich. Ich steige über die ausgedörrten Körper der Toten und gelange so schneller als geplant zum verwüsteten Kern der Stadt. Vom Forum Romanum ist nicht vielmehr als ein Haufen überdimensionierter verstreuter Legosteine geblieben. Es hat bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem was frustrierte Kinder hinterlassen, wenn sie, die Anleitung selbstredend ignorierend, versucht haben das Weihnachts-lego-Traum-Piraten-Raumschiff zusammen zu bauen. Mit dem einzigen Unterschied, dass das römische Kind noch einmal voller gerechtem Zorn auf dem verunglückten Forum Romanum Baukasten herumgetrampelt ist um seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Mein Fazit: “nicht sehenswert“. Selbiges gilt für das Kolosseum was, entgegen seinem Namen, in etwa so beeindruckend ist wie die Arena in Ravenna nur ohne Opernsängerin und ohne Arena. Ich fühle mich an einen überdimensionierten, und sehr zerbissenen Hundenapf erinnert.

Die Katakomben kommen im internen Preis-Leistungsvergleich ähnlich schlecht weg. Ich habe genau einen einzigen Knochen bei meiner unterirdischen Exkursion zu Gesicht bekommen. Und der sah verdächtig nach 20. Jahrhundert und Küchenabfall aus. Entweder sind die Gräber leer oder werden „aus ethischen Gründen“ nicht geöffnet. Warum wir dann überhaupt hier sind, höre ich mich fragen. Das Gesicht der vormals noch freundlichen Höhlenführerin nimmt den Ausdruck einer tiefgefrorenen Roulade an, die auf etwas sehr, sehr Widerliches gebissen hat. Plötzlich spricht die Roulade auch kein deutsch mehr. Schade eigentlich.

Die Reisegruppe, der wir uns angeschlossen hatten, ist mittlerweile auf etwa ein Drittel ihrer bisherigen Stärke geschrumpft. Teils, weil wir die Schwächsten und Schwachen auf der Strecke lassen mussten oder gegessen haben, Das Wohl der ganzen Gruppe stand auf dem Spiel. Teils auch, da wir aufgrund der übertriebenen Feuchtigkeit und den Temperaturen um den Gefrierpunkt zu kleinen, verschrumpelten Pygmäen zusammen geschrumpft sind. Wir binden uns Palmwedel um und die Älteren schnitzen aus ihren alpinen Wanderstäben Speere. Frei nach der Devise, immer ein gewisse, vornehme Unauffälligkeit kultivieren.

Der nächste Stop wird ein voller Erfolg, ich kann mich nicht mehr daran erinnern, aber es muss toll gewesen sein. Zumindest strahlen die Gesichter meiner Leidensgenossen, als ich wieder zu mir gefunden hatte, über beide Ohren und es wird ausgelassen gescherzt und gelacht. Als ich mich genauer umsehe, erkenne ich Blut an den Speerspitzen und das Schlusslicht unseres Kriegstrupps zieht glücklich einen Eiswagen hinter sich her, der Spuren eines verbissenen Kampfes aufweist.

Die Engelsburg, unser nächstes Ziel, ist nicht die paar Sekunden Erwähnung wert, welche ihr hiermit gezollt werden. 

Der Petersdom, das Herz der katholischen Welt ragt nun, als Höhepunkt dieser Tage vor uns auf. Der Platz leert sich zusehends, was vielleicht zu einem geringen Bestandteil unserem abenteuerlichen Aussehen zuzuschreiben ist. Zurück bleibt ein Roter Koffer und die Springbrunnen, die mangels Vorbewegungsmittel starr auf der Stelle verbleiben und so tun als hätten sie uns nicht bemerkt. Denen werden wir es zeigen, nur weil sie läppische Jahrhunderte länger hier stehen als wir, haben sie noch lange nicht das recht sich so ungastlich zu geben! Als wir uns schon wunderbar zu einem lynchwütigen Mob formiert haben und gerade auf die beiden vor Angst wasserlassenden Brunnen los wollten, werden wir brüsk daran gehindert. Eine Uniformiertes Mischwesen aus Mensch und Beamten weißt uns trocken darauf hin, dass Waffen im Dom nicht erwünscht seien, wir insistieren. Das Offizielle siegt, nach kurzem, heftigen Gerangel um unsere Speere.

Wir entsinnen uns unserer Eigenschaft als Gäste in diesem... Staat und fügen uns. Vorerst, der Hirsch hat das Buschmesser in meiner Tasche übersehen, hahaa, ich werde der Pieta meinen Namen auf in Stirn meißeln, so siehts nämlich aus! Schließlich treten wir ein, und alles an niederen Rachegelüsten wird von Ehrfurcht und Staunen verdrängt.


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'Rote Einsamkeit' © ahnungsvoll 

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