Leoparden im Frühling

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Arabischer Frühling ohne Genuss – Eine Einschätzung
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Von Hubertus J. Schwarz   14. Juli 2011


Berlin, Bundestag – Der arabische Frühling, das ist die Bezeichnung, die den Protesten, im Mittleren und Nahen Osten mittlerweile in Anlehnung an den Prager Frühling gegeben werden. Sie sind ein von den Völkern der arabischen Welt gesetztes Zeichen. Ein Zeichen, das den Wunsch nach mehr Lebensqualität ausdrückt und das Verlangen nach Regierungen, die nicht über, sondern durch das Volk herrschen.

Ausgehend von der Revolution in Tunesien rollte 2010/11 eine Welle des Protestes durch die arabische Welt. Aufstände gegen die autoritären Regime und politischen oder sozialen Strukturen waren die Folge. In Algerien etwa wurde daraufhin der 19 Jahre andauernde Ausnahmezustand durch Präsident Bad al-Aziz Bouteflika angekündigt. In Ägypten gingen Abertausende Menschen auf die Straßen, Regierungstreue lieferten sich heftige Straßenschlachten mit den Demonstranten, bis schließlich Präsident Husni Mubarak zurücktrat und das Militär die Macht übernahm. Über einhundert Todesopfer gab es bei Aufständen in Syrien. Auch in Bahrain begehrte das Volk gegen die Machthaber auf. Eben dort wurden die Unruhen mithilfe des saudi-arabischen Militärs blutig niedergeschlagen. Wie auch die aufkeimenden Proteste in Saudi-Arabien selber...

Und nun, nachdem sich die erste Protestwelle an den festgefahrenen Steilufern halbherziger Besserungsbeteuerungen gebrochen hat, kommt unter dem zurückweichenden Wasser ein fragwürdiger Handel zutage.
Deutschland verkauft 200 hochmoderne Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A7+ an Saudi-Arabien. Den Staat, der noch vor wenigen Wochen durch seine blutige Intervention klar Stellung hinter dem autoritären Regime Bahrains bezogen hatte. Und diese Lieferung ist nur die bislang Letzte einer ganzen Reihe an Lieferungen wie die deutsche Tageszeitung Die Welt berichtet: „Nach einer kleinen Delle im Jahr 2002, als die Saudis für „nur“ 26,5 Millionen Euro einkauften, stiegen die Exporte bis 2008 kontinuierlich an. Damals erhielt der Ölstaat Waffen im Wert von 170,4 Millionen Euro, darunter Gewehre, Pistolen, Munition, leichte Panzerfahrzeuge, Raketenteile oder auch Tankflugzeuge.“

Wie aber kann ein Land, das die Meinungsfreiheit und das Recht auf Selbstbestimmung zu seinen Grundsätzen zählt eine andere Nation mit Waffen beliefern, die dazu eingesetzt werden könnten, genau diese Werte zu unterdrücken. Und weshalb kann eine solch weitreichende Entscheidung beschlossen werden, ohne davor im Parlament behandelt worden zu sein? Die Antwort darauf ist relativ simpel: Wenn die Situation ein schnelles und unbürokratisches Handeln erfordert ist es dem Bundessicherheitsrat Deutschlands gestattet, ohne vorheriges Einbringen in das Parlament, Entscheidungen von politischer Tragweite zu treffen.

Der Bundessicherheitsrat besteht aus neun, hochrangigen Politikern. Unter anderem aus der amtierenden Bundeskanzlerin und den Bundesministern des Auswärtigen, der Verteidigung und der Wirtschaft.

Saudi-Arabien wird hier in erster Linie als Brückenkopf in einer Region gesehen, die von radikal islamistischen und anti-westlichen Gruppierungen unterwandert ist. Im Vergleich zum Iran gilt Saudi-Arabien als sogar gemäßigte Macht, deren Bemühungen um die Gunst des Westens auch einen (aktiven) Kampf gegen den Terrorismus mit einschließt. Mittlerweile soll König Abdullah ibn Abd al-Aziz seinem Volk 27 Milliarden (Ob Kokosnüsse, US-Dollar oder Schweizer Franken, sagte seine Hoheit nicht) für eine Verbesserung der Lage zugesichert haben. Auch führte er mit dem bahrainischen Herrscher König Hamid ibn Isa Al Chalifa Gespräche, um die dortige Situation zu besprechen. Das sind zwar bisher nichts anderes als Lippenbekenntnisse und nach wie vor gilt ein rigides Demonstrationsverbot im saudischen Königreich. Dennoch hält der Bundessicherheitsrat an seinem Geschäft mit dem Teuf… mit Saudi-Arabien fest. In Interviews verteidigten die Kanzlerin, Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dagegen Rüstungsexporte in den Golfstaat und bezeichneten Saudi-Arabien als wichtigen Partner und "Stabilitätsanker" in der Region. Wie das Nachrichtenportal n-tv berichtet.

Nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Interessen. Die Rüstungsindustrie der Bundesrepublik ist nach den USA und Russland die drittgrößte der Welt. Damit das so bleibt, sind der Verkauf von 200 Panzern und die damit verbundenen, lukrativen Wartungsaufträge in jedem Fall ein lohnendes Geschäft.

Abgesehen vom wirtschaftlichen Nutzen, den Deutschland mit diesem Verkauf gewinnen würde, stellt sich die Frage, welche weiteren Interessen hinter diesem Handel stehen. Zunächst einmal braucht Saudi-Arabien den Westen. Als Schwellenland benötigt es vor allem die Technologie, um im weltweiten kapitalistischen Wettlauf mithalten zu können und das Investitionskapital Europas um den Lebensstandard der Eliten im Land zu halten.

Wer steht im Zweifel zwischen uns und einer (nuklearen) Bedrohung? Auf der anderen Seite suchen die Westmächte nach Verbündeten in der arabischen Welt. Die sich aus Sicht der Regierungen als zunehmen unkontrollierbar erweist. Das nun innerhalb weniger Monate mehrere Regierungen gestürzt wurden bedeutet erst einmal nicht mehr, als dass die Situation im Nahen Osten noch unwägbarer geworden ist.

Um die Wellen wieder zu glätten, oder zumindest nicht in Richtung Europa branden zu lassen, erfüllt die Bundesrepublik die schon lange gehegten Wünsche des Wüstenstaats und sendet eine ansehnliche Streitmacht von Leopard Kampfpanzern nach Saudi-Arabien. Angeblich sollen die USA und Israel dem Handel schon zugestimmt haben. Womit das Argument, einem potenziellen Gegner Israels dürfe, man nicht Schützenhilfe leisten, im Sand verläuft. Der aktuelle Gegner heißt Iran. Denn aus dessen Hauptstadt Teheran werden die Eiferer nicht müde, Israel im Speziellen und dem Westen im Allgemeinen, mit allem zu drohen, was sich irgendwie als Gefährdung verkaufen lässt.

Fortsetzung folgt:
Zum II. Teil


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