Theoretische Basis Gegendarstellung

Eine Analyse der Gegendarstellungen im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL
 
Forschungsbereiche:
1. Gegendarstellung im Forschungsstand
2. Theoretische Basis Gegendarstellungen
3. Forschungsanalyse der Gegendarstellungen
4. Übergreifende Analyse der Gegendarstellungen


2. Theoretische BasisDie Forschungsarbeit untersucht das Format der Gegendarstellung, seine Ausprägungen und Entwicklung innerhalb des Spiegels. Eventuelle Zusammenhänge und Einflussfaktoren zwischen dem Internet und der damit einhergehenden Digitalisierung des Nachrichtenmagazins sollen dabei aufgedeckt werden. Dies geschieht über die Analyse der veröffentlichten Gegendarstellungen. Um treffend untersuchen zu können, ob und inwieweit sich die Evolution des Mediums auf die Gegendarstellungen auswirkt, werden im Folgenden diese drei wichtigen Begriffe definiert.

2.1. Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL
Abbildung 1 | Logo des Spiegel Magazins. Quelle: Der Spiegel, 2015.


Das deutsche Nachrichtenmagazin „der Spiegel“ etablierte sich durch seine oftmals kontroverse und investigative Berichterstattung seit seiner Gründung im Jahre 1947 zu einem der meinungsführenden Medien im deutschsprachigen Raum.

2.1.1. Unternehmensstruktur
In der europäischen Medienlandschaft stechen die Besitzverhältnisse des Spiegels als besonders heraus. 1974 übertrug der am 7. November 2002 verstorbene Gründer und ehemalige Chefredakteur Rudolf Augstein die Hälfte seiner Unternehmensanteile an die Belegschaft. Daraus resultiert folgende Aufteilung: 50 Prozent der Anteile werden von der „Kommanditgesellschaft Beteiligungsgesellschaft für Spiegel-Mitarbeiter mbH & Co“ gehalten. Die „Gruner+Jahr AG & Co KG“ besitzt 25,25 Prozent der Unternehmensanteile. Darauf folgt mit 23,75 Prozent die „Erbgemeinschaft Augstein“. Mit einem Prozent hält die „Rudolf Augstein GmbH“ den geringsten Part der Anteile 2.

2.1.2. Auflage und Umsätze
Im Jahr 2014 verkaufte das Nachrichtenmagazin wöchentlich durchschnittlich 867.983 Exemplare. Dabei markierte die Spiegelausgabe „Der Terror-Angriff: Krieg im 21. Jahrhundert“ das am häufigsten gekaufte Heft in der bisherigen Geschichte des Mediums – Die Ausgabe wurde am 15. September 2001, vier Tage nach den Terroranschlägen auf das „World Trade Center" in New York, veröffentlicht.

92 Prozent der Auflage wird im Inland vertrieben, insgesamt wird das Magazin in 161 Ländern verkauft. Der Umsatz der gesamten „Spiegel-Gruppe“ (Selbstreferenziell: SPIEGEL-Gruppe) belief sich im Geschäftsjahr 2013 auf 298,5 Millionen Euro. Dies macht einen 5,1-prozentigen Rückgang zu dem im Vorjahr generierten Umsatz von 305,1 Millionen Euro aus. Dabei beschäftigte die Spiegel-Gruppe 1.191 Mitarbeiter als Vollzeitbeschäftigte. Sie verteilen sich auf die Redaktionen, die Dokumentation, den redaktionellen Dienst und die Verlagsabteilungen 3.

 
Die Redaktionsvertretungen des Spiegels teilen sich in die Büros der Bundesländer und in Vertretungen im Ausland. Innerhalb Deutschlands betreibt der Spiegel Nebenstellen in Stuttgart, München, Karlsruhe, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Dresden und ein Hauptstadtbüro in Berlin. Die Vertretungen im Ausland verteilen sich auf die sechszehn Städte: Boston, Brüssel, Kapstadt, London, Madrid, Moskau, New York, Paris, Peking, Rio de Janeiro, Rom, San Francisco, Tel Aviv, Tokio, Warschau und Washington 4.

2.1.3. Geschichte des Spiegels
Die erste Ausgabe des Nachrichtenmagazins erschien als Nachfolger der Zeitschrift „Diese Woche“ am 4. Januar 1947. Verantwortet wurde die Veröffentlichung vom damaligen Herausgeber und Chefredakteur Rudolf Augstein. Die alliierte Besatzungsmacht England stufte den damals 23-jährigen Journalisten zuvor als unbelastet ein und genehmigte eine Verlegerlizenz für ein politisches Wochenmagazin 5.

Bundesweitere Resonanz löste der 1950 vom Spiegel erhobene Vorwurf aus, Bonn wäre nur aufgrund von Bestechung zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Der Deutsche Bundestag bemühte sich über den sogenannten „Spiegel-Ausschuss“ vergeblich um eine Aufklärung zur Wahl der Stadt am Rhein. In der Folge dieser Ereignisse wird das Nachrichtenmagazin landesweit bekannt 6.

Die 1962 in der Titelgeschichte „Bedingt abwehrbereit“ publizierten Informationen über die militärische Situation der Bundesrepublik provozierten eine vom damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß initiierte Besetzung der Spiegelzentrale in Hamburg. Mehrere Redakteure, der Verlagsdirektor sowie Chefredakteur Rudolf Augstein wurden am 26. Oktober 1962 mit dem Vorwurf des Landesverrats festgenommen. In der Republik, wie auch international wertete die Öffentlichkeit diese Aktion überwiegend als Angriff auf die Meinungsfreiheit. Die Demonstrationen um die sogenannte „Spiegel-Affäre“ zwangen Franz Josef Strauß zum Rücktritt (vgl. WDR, 2012).

In den kommenden Jahren resultieren aus Enthüllungen des Spiegels weitere öffentliche Debatten und die Rücktritte von politischen Ämtern. Wie etwa in der sogenannten „Flick-Affäre“, um Spendengelder oder der „Barschel-Affäre“, um Manipulationen im Vorfeld der Landtagswahl in Schleswig-Holstein 1987. Hierbei wird die Rolle des Spiegels als neutraler Beobachter jedoch kontrovers diskutiert 7.

Dem aufstrebenden Konkurrenzmedium „Focus“ aus München begegnete Augstein 1994 durch die Einsetzung von Stefan Aust als neuem Chefredakteur. Dieser war maßgeblich für die Entwicklung des Formats „Spiegel TV“ verantwortlich und baute als neuer Chefredakteur im Besonderen den Internetauftritt „Spiegel Online“ auf. 2002 musste Aust der neuen Struktur einer Doppelführung an der Spitze der Redaktionen weichen. Die Journalisten Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron übernahmen das Magazin und die Online-Ausgabe des Spiegels. Schon unter Stefan Aust hatte sich eine vermehrte Hinwendung zu wirtschaftsnahen Positionen abgezeichnet – eine Tendenz, die in den folgenden Jahren fortgeführt wurde 8.

Nach internen Auseinandersetzungen um den Führungsstil der beiden Chefredakteure berief der Spiegel-Verlag Wolfgang Büchner, den damaligen Chefredakteur der „Deutschen Presse-Agentur“, zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Chefredakteur des Magazins und Spiegel Online. Am ersten September 2013 trat er die Leitung des Spiegels an. Unter Wolfgang Büchner erfuhr die Gestaltung eine Neuausrichtung, auch sollte die Verzahnung zwischen Print- und Onlineausgabe vorangetrieben werden. Am 4. Dezember 2014 trennten sich Büchner und der Spiegel nach internen Auseinandersetzungen wieder 9. Sein Nachfolger wurde am 15. Januar 2015 Klaus Brinkbäumer 10.

2.1.4. Selbstverständnis
Der Spiegel versteht sich als politisch unabhängiges Qualitätsmedium, dessen Hauptaugenmerk auf politischen und gesellschaftlichen Ereignissen liegt 11.

Im Nachklang der Spiegel-Affäre definierte Augstein am 27. September 1971 die Blattlinie des Nachrichtenmagazins: "Wir bleiben ein liberales, ein im Zweifelsfall linkes Blatt (Augstein, 1971, S. 3)." Diese Hausmitteilung zur politischen Standortbestimmung des Spiegels wurde innerhalb des Vortworts der Ausgabe Nummer 20 im Jahr 1971 veröffentlicht – Sie galt seither als Redaktionsmaxime, die das Nachrichtenmagazin über die nächsten Jahrzehnte begleiten sollte. Die politische Konnotation „links“ wurde dabei als sorgfältige Differenziertheit, politische Nachdenklichkeit und Gegenpart zu stupidem Antikommunismus begriffen 12.

Durch seine oftmals kritische Berichterstattung als Beobachter der Politik, seiner Akteure und der Gesellschaft, verstehen sich die Redakteure des Spiegels vermehrt als inoffizielle „vierte Gewalt (Münkel, 2013, S. 236)“ und, wie es Stefan Aust im Nachruf auf den 2002 verstorbenen Rudolf Augstein formulierte, als „Unternehmen Aufklärung (Aust, 2002, S. 3)“. Dabei soll aber nicht vergessen werden, dass das Produkt den Käufern auch Spaß bieten dürfe, so Stefan Aust weiter. Eine Bestätigung der Vorgabe, die Augstein bereits 1993 in einem Interview formuliert hatte: „Wir müssen den Lesern gute Geschichten liefern. Lesbar und informativ müssen sie sein, und vergnüglich dürfen sie auch sein (Augstein, 1993. S. 44).“

2.1.5. Rolle als Leitmedium
Der Begriff „Leitmedium“ wurde maßgeblich durch den Medienwissenschaftler Jürgen Wilke geprägt. Nach seiner Definition trifft die Bezeichnung auf Medienangebote zu, die einen besonders starken Einfluss auf die öffentliche Meinung und andere Massenmedien ausüben 13. Anhand dieser These untersuchte Wilke die Bedeutung deutscher Printmedien. Die von ihm gesammelten Umfragewerte ergaben den Spiegel als wichtigstes Produkt, darauf folgen die „Süddeutsche Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „die Zeit“ und die „Neue Zürcher Zeitung“.

Die Forschung der Universität Hamburg zum Thema „Journalismus in Deutschland“ im Jahr 2005 ergab darauf aufbauend eine fortschreitende Ausdifferenzierung der deutschen Medienlandschaft. Dementsprechend würden sich gerade Journalisten spezialisierter Medien eher an Special-Interest- und Fachmedien als etwa am einstigen „Sturmgeschütz der Demokratie“, dem Spiegel orientieren (Weischenberg, 2006 S. 359). Dennoch nimmt das Nachrichtenmagazin nach der Süddeutschen Zeitung den zweiten Platz unter den führenden Produkten der Presse ein.

Bezog sich der Terminus nach Wilke zunächst ausschließlich auf Printmedien, so erfüllt seit der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert vermehrt das Internet die Charakteristiken eines Leitmediums. In diesem Zusammenhang bewertete eine Studie des „New York Time“ Magazins aus dem Jahre 2011 sowohl die Printprodukte als auch die digitale Ausgabe deutscher Medien im Hinblick auf die Frage nach den Leitmedien der Bundesrepublik. Sie kam zu einem vergleichbaren Ergebnis wie Wilke 1999. Der Autor Eric Pfanner benennt ebenfalls den Spiegel als einflussreichstes Medium des deutschsprachigen Raums, gefolgt von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutsche Zeitung und der Zeit 14.

2.1.6. Die Dokumentation des Spiegels
Essenziell für die journalistische Qualität des Nachrichtenmagazins ist die Abteilung „Dokumentation“ des Spiegels. Unter dem Begriff subsumiert sich sowohl das umfangreiche Archiv als auch das Recherchezentrum des Mediums. Die Abteilung umfasst 70 Dokumentationsjournalisten, aufgegliedert nach fachspezifischen Referaten – analog zu den Redaktionsressorts. Innerhalb der Produktion der Spiegelausgaben sind sie für das sogenannte „Fact-Checking“ bzw. die Verifikation und das Lektorat der von den Redakteuren generierten Inhalte zuständig. Die Arbeit der Dokumentare besteht in der Überprüfung sämtlicher Recherchematerialien, um so inhaltliche oder grammatikalische Fehler, Ungenauigkeiten und ungewollte Mehrdeutigkeit auszumerzen. In Übergabegesprächen wird gemeinsam mit den federführenden Autoren eine stilistisch angebrachte Version finalisiert 15.

Die Abteilung der Dokumentation besteht seit 1950. Ihre Daseinsberechtigung erhielt sie dabei schon im 1949 verfassten Spiegel Statut: „Alle im SPIEGEL verarbeiteten und verzeichneten Nachrichten, Informationen, Tatsachen müssen unbedingt zutreffen. Jede Nachricht und jede Tatsache ist vor die [sic!] Weitergabe an die Redaktion peinlichst genau nachzuprüfen. Quellen sind in jedem Fall informativ mitzuteilen. In Zweifelsfällen ist eher auf eine Information zu verzichten, als die Gefahr einer falschen Berichterstattung zu laufen (vgl. SPIEGEL-Statut, 1949, S. 2, zit. nach Janssen, 2014, S. 3-4).“ Die endgültige Evolution vom Faktenarchiv hin zum autonomen Betriebsbereich Dokumentation fand unter dem geschäftsführenden Redakteur Hans Detlev Becker statt. Seit 1998 leitet Haucke Janssen die Dokumentation, gemeinsam mit Peter Wahle sowie Cordelia Freiwald und Axel Pult 16.

Das Archiv des Spiegels besteht seit der Gründung 1947. Mit rund hundert Millionen Textdokumenten und fünf Millionen Bildern umfasst es eine der umfangreichsten Mediensammlungen der Welt. Durch die regelmäßige Auswertung von über 300 Publikationen in 15 Sprachen zeichnet es sich auch als eines der größten Zeitungsarchive weltweit aus. Neu erschienene Medien werden seit dem Jahr 2000 überwiegend digital erfasst und sind neben sämtlichen Spiegelausgaben seit 1947 über das Internet zugänglich 17.

Der für Externe tatsächlich zugängliche Archivbestand weicht hierbei jedoch von dem durch die Spiegel-Gruppe kommunizierten Bild einer umfassenden digitalen Transparenz ab. Während der inhaltlichen Analyse der Gegendarstellungen im Spiegel zeichneten sich einige Lücken innerhalb der vorgeblich umfassend verschlagworteten Ausgaben seit 1947 ab. Der tatsächliche Umfang betrifft den Zeitraum von 1967 bis 2013.

Wie sich in der Recherche zeigte, sind dabei vermehrt Artikel, aus denen eine Gegendarstellung resultierte, unkenntlich gemacht. Dies betrifft unter anderem die Berichterstattung über den VW-Manager Lopez im Kontext des Vorwurfs, er hätte Industrie-Spionage begangen, aus dem Jahr 1993. Des Weiteren sind der Artikel über rechte Verwicklungen in Passau 2001 oder der Text „Keimzelle des Terrors aus dem Jahr 2009 nicht zugänglich 18, 19, 20, 21.

2.1.7. Rolle der Dokumentation
Die aus der Verifikation resultierende Faktengenauigkeit des Nachrichtenmagazins benennt Hauke Janssen als „Grundvorrausetzung für den Journalismus (Janssen, 2014, S. 13)“. Tatsächlich sind Ausmaß, Konstellation und Einfluss des Recherchezentrums in dieser Form einzigartig und Vorbild für nationale, wie internationale Wettbewerber. Durch ihre Expertise besitzen die Dokumentationsjournalisten einen nicht geringen Einfluss auf die Interpretation der jeweiligen Inhalte einer Geschichte. Trotz der formellen Entscheidungshoheit des jeweiligen Redakteures, werden bei etwaigen Konflikten über die Auslegung innerhalb eines Artikels die nächsten Instanzen konsultiert – eine generelle Unterordnung im Redaktionsbetrieb findet nicht statt.

2.2. Die Gegendarstellung
Abbildung 2 | Eigene Darstellung. Logo Paragraph
Durch den Anspruch auf Gegendarstellung soll das Presserecht eine Schutzfunktion für die Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen Person schaffen. Dies resultiert aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes 22.

2.2.1. Definition und Indikatoren
Hinter der Instanz des Gegendarstellungsanspruchs steht die Bemühung, einer Person die Entscheidungsgewalt darüber zuzubilligen, wie sie sich gegenüber Dritten und der Öffentlichkeit im Allgemeinen darstellen möchte. Durch das gesicherte Recht einer Tatsachenbehauptung mit der eigenen Version des Sachverhalts begegnen zu können, soll dies gewährleistet werden. Im Bezug auf die Anwendbarkeit des jeweiligen Landespressegesetzes gilt als maßgeblich, in welchem Bundesland das Medienunternehmen des Verlags ansässig ist.

Als verantwortlich im Sinne des Presserechts gelten der jeweils federführende Redakteur und der Verleger des Druckwerks. Sie sind bei einem positiven Entscheid über einen Gegendarstellungsanspruch dazu verpflichtet, die in Entgegnung des Betroffenen über die zuvor aufgestellte Tatsachenbehauptung in der nächstmöglichen Ausgabe zu publizieren. Dabei hat die Redaktion des betreffenden Mediums die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass sie durch die Gesetzgebung verpflichtet ist, eine Gegendarstellung zuzulassen. Auch ist es zulässig, sich vom Inhalt der betreffenden Gegendarstellung zu distanzieren. Dies hat in Form eines sogenannten „Redaktionsschwanzes“, einer Anmerkung im Anschluss der Gegendarstellung, zu geschehen.

Generell gilt, „Die Wahrheit des Inhalts der Gegendarstellung ist unerheblich (Fechner, 2013, S. 106).“ Lediglich die Möglichkeit, den eigenen Standpunkt öffentlich an einem nicht minder präsenten Platz vertreten zu können, ist ausschlaggebend.

Eine Gegendarstellung ist außerdem nur dann zulässig, wenn es sich bei dem Konfliktinhalt um eine Tatsachenbehauptung handelt. Dagegen würde das Recht auf Gegendarstellung im Falle jeder Meinungsäußerung zu rigide in die Meinungsfreiheit einschneiden. Von einer Tatsachenbehauptung kann ausgegangen werden, wenn deren Inhalt theoretisch vor Gericht beweisbar wäre. (vgl. ebda., S. 105-106). So handelt es sich bei der Aussage „Sophie fuhr mit dem Zug nach Wien.“ um eine Sachaussage mit überprüfbarem Wert, insofern sie dem Anspruch der Gegendarstellung genügen würde. Wohingegen der Satz „Das Spiel des HSV hält Ferdinand für langweilig.“ eine Meinung beinhaltet und damit für einen Beweisabgleich nicht verwertbar ist.

Auslegungssache im Besonderen bleibt dabei auch die implizierte Behauptung von Tatsachen. Eingeschränkt wurde dies erst durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2007, welcher besagt, dass ein Anspruch auf eine Gegendarstellung bei doppeldeutigen Tatsachenbehauptungen nur dann gegeben ist, wenn sich eine Aussage als „(...) unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängen muss (...) (BVerfG, 2007, S. 967/05).“

Anspruch auf eine Gegendarstellung kann in der Regel nur die unmittelbar betroffene Person erheben. Jedoch ist auch hier keine pauschale Deutung zureichend, da durch eine Tatsachenbehauptung auch die Persönlichkeitsrechte Dritter in erheblicher Weise verletzt werden können (vgl. Fechner, 2013, S. 107).

Dementgegen kann ein Gegendarstellungsanspruch ausgeschlossen werden, wenn die betroffene Person kein berechtigtes Interesse an ihrer Verbreitung hat oder die vorgelegte Gegendarstellung nicht den Richtlinien der Pressegesetze genügt. Nach diesen gilt eine Gegendarstellung als angemessen, insofern sie den Umfang des beanstandeten Textes nicht überschreitet. Dabei gilt der sogenannte „Grundsatz der Waffengleichheit (BGH, 2005, S. XI ZR 216/04)“ nachdem der Betroffene nicht schlechter gestellt werden darf, als die Medien.

Des Weiteren darf der Text einer Gegendarstellung keinen streitbaren oder sich nicht auf tatsächliche Angaben beschränkenden Inhalt aufweisen. Auch muss er in Schriftform und durch den Betroffenen unterschrieben an den verantwortlichen Redakteur oder Verleger übermittelt werden. Geschieht dies nicht innerhalb von höchstens drei Monaten nach der Veröffentlichung des Konfliktinhalts verfällt auch ein ansonsten berechtigter Anspruch auf Gegendarstellung.

Genügt der berechtigte Anspruch diesen Kriterien, hat eine Gegendarstellung in der nächsten nicht abgeschlossenen Ausgabe des Mediums zu erscheinen. Dabei müssen Schrifttype und Formatierung der Aufmachung des Konfliktinhalts entsprechen. Einschaltungen oder Auslassungen sind nicht zulässig 23.

2.2.2. Abgrenzung
Der Gegendarstellungsanspruch kann als mildere Form eines ergänzenden Abwehranspruchs gelten. Daher ist r klar von den presserechtlichen Instrumenten einer Berichtigung, eines Widerrufs und schließlich der Unterlassung und dem Anspruch auf Schadenersatz abgegrenzt (vgl. Ruß-Mohl, 2010, S. 237).

2.2.3. Anspruchsgrundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch
Ihr Anspruch ist presserechtlich geregelt. So heißt es unter dem Paragraph 1004 im „Bürgerlichen Gesetzbuch“:

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist (BGB, 2013, S. 258).

2.2.4. Formulierung im Pressegesetz
Der im Paragraph 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs definierte Anspruch wird durch das Pressegesetz auf den Gegendarstellungsanspruch in einem Druckwerk konkretisiert, hier am Beispiel der Formulierung im „Hamburgischen Pressegesetz“:

(1) 1 Der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks sind verpflichtet, eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist. 2 Die Verpflichtung erstreckt sich auf alle Nebenausgaben des Druckwerks, in denen die Tatsachenbehauptung erschienen ist.

(2) 1 Die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung besteht nicht, wenn die Gegendarstellung ihrem Umfang nach nicht angemessen ist. 2 Überschreitet die Gegendarstellung nicht den Umfang des beanstandeten Textes, so gilt sie als angemessen. 3 Die Gegendarstellung muss sich auf tatsächliche Angaben beschränken und darf keinen strafbaren Inhalt haben. 4 Sie bedarf der Schriftform und muss von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein. 5 Der Betroffene oder sein Vertreter kann den Abdruck nur verlangen, wenn die Gegendarstellung dem verantwortlichen Redakteur oder dem Verleger unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung, zugeht.

(3) 1 Die Gegendarstellung muss in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer in dem gleichen Teil des Druckwerks und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden. 2 Sie darf nicht in Form eines Leserbriefes erscheinen. 3 Der Abdruck ist kostenfrei, es sei denn, der beanstandete Text ist als Anzeige abgedruckt worden. 4 Wer sich zu der Gegendarstellung in derselben Nummer äußert, muss sich auf tatsächliche Angaben beschränken.

(4) 1 Für die Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. 2 Auf Antrag des Betroffenen kann das Gericht anordnen, dass der verantwortliche Redakteur und der Verleger in der Form des Absatzes 3 eine Gegendarstellung veröffentlichen. 3 Auf dieses Verfahren sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprechend anzuwenden. 4 Eine Gefährdung des Anspruchs braucht nicht glaubhaft gemacht zu werden.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen der gesetzgebenden oder beschließenden Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden (Gemeindeverbände) sowie der Gerichte. (Hamburgisches Pressegesetz, 2009, §. 11).

2.2.5. Geschichtlicher Abriss der Gegendarstellung
Die Ursprünge der Gegendarstellung als Instrument des Presserechts liegen im ausgehenden 18. Jahrhundert zu Zeiten der Französischen Revolution. Die Proklamation der Menschen- und Bürgerrechte durch die „Verfassungsgebende Versammlung“ am 28. August 1789 beinhaltete neben der Rechtssicherheit und Unverletzlichkeit des Eigentums auch die Pressefreiheit. Dies gab den Journalen und anderen Druckmedien zum ersten Mal per Gesetz die Möglichkeit über Personen und Ereignisse zu berichten, ohne eine Zensur befürchten zu müssen. In der Folge grassierte die Veröffentlichung von verleumderischen Artikeln in den Medien, gegen die betroffene Bürger und Institutionen keinerlei Rechtsschutz geltend machen konnten. In der Konsequenz entwarfen die beiden Kammern des französischen Parlaments, der sogenannte „Rat der Fünfhundert“, ein Gesetz zur straf- und zivilrechtlichen Ahndung verleumderischer Presseberichterstattung. Auf den Vorschlag des Abgeordneten Jacques-Antoine Dulaure sollte darin eine Regelung inbegriffen sein, die jedem in Ehre oder Ruf getroffenen das Recht auf den Abdruck einer Entgegnung zubilligte. Obgleich dieser Entwurf nie in die Gesetzgebung einging, wurde durch Dulaure damit doch die erste Definition einer Gegendarstellung und ihres Anspruches getroffen (vgl. Ebert, 1997, S. 6-10).

23 Jahre später wurde der Entwurf des Franzosen über ein presserechtliches Instrumentariums in die Pressegesetzgebung 1822 unter dem Artikel 11 aufgenommen. Dabei erfuhr die Vorrausetzung des Anspruches einen neuen Deutungswert, weg vom Tatbestand einer Ehrenrührigkeit hin zu jedem Text, gleich ob Meinung oder T atsachenbehauptung 24.

In Deutschland wird zum ersten Mal im Reichspressegesetz von 1874 ein dem Format der Gegendarstellung gleichendes Recht formuliert. Diese liberale Einstellung im Spannungsfeld der Presse wurde jedoch bereits 1878 durch die Sozialistengesetze weitestgehend außer Kraft gesetzt. In den Jahren zwischen 1890 und 1933 baute die gesetzliche Regelung, zunächst noch im „Deutschen Kaiserreich“, dann in der „Weimarer Republik“ auf den Grundsätzen des Reichspressegesetzes auf 25.

Im Zuge der Gleichschaltung aller Medien durch das nationalsozialistische Regime wurde die deutsche Presselandschaft 1933 vereinnahmt. Dies geschah durch das sogenannte „Schriftleitergesetz“ unter der Verfügung von Reichspropagandaminister Joseph Goebbles. Darin wurden die Aufgabenbereiche, Befugnisse und der generelle Berufszugang für Redakteure, im damaligen Sprachgebrauch Schriftleiter, strikt reglementiert. Die in der vormaligen Reichspressgesetzgebung verbürgten Freiheitsrechte der Presse wurden damit ausgesetzt. Damit verfiel auch jedwede Form eines Gegendarstellungsanspruchs 26.

Mit dem Ende des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland wurden von den Besatzungsmächten die vormaligen Reichspressegesetzgebungen wieder eingeführt. Zunächst im Bundesrecht von 1964 verankert, beschlossen die Bundesländer im Zuge der schrittweise eintretenden Autonomie ihre jeweiligen Landespressegesetze, dieser Prozess dauerte bis zum 1. Juli 1966 fort, als das Land Niedersachsen seine Gesetzesregelung der Presse verabschiedete. Darin inkludiert waren die Anspruchsregelungen einer Gegendarstellung. Die endgültige, formale Aufhebung der Reichspressegesetzgebung erfolgte im November 2007 (vgl. BGBI. I S.2614)

War die Gegendarstellung ursprünglich ein Instrument des Presserechts, hat sich ihr Anwendungsbereich inzwischen auch auf die Landesmediengesetze und den Rundfunkstaatsvertrag ausgeweitet (vgl. Fechner, 2012, S. 104).

Aktuell ist das Gegendarstellungsrecht in 16 Landespressegesetzen, 15 Landesmediengesetzen und 13 Gegendarstellungsreglements über die öffentlich- rechtlichen Veranstalter erfasst. Darüber hinaus besteht eine Normierung im „Mediendienst-Staatsvertrag“ (vgl. Sjurts, 2004, S. 473).

2.2.6. Formale Vorgaben
Der Gegendarstellungsanspruch unterliegt einer Formatvorlage, der überwiegend entsprochen wird – hierbei bestätigen Ausnahmen die Regel. Sie enthält jedoch grundsätzlich die fünf folgenden Elemente:

1.    Eine Überschrift. Vorwiegend auf den Titel „Gegendarstellung“ festgesetzt.

2.    Den Hinweis auf die Erstmitteilung. Weitestgehend in der Formulierungsweise  „Zum Artikel ‚XY’ in der Z-Zeitung vom 19.07.1990.“.

3.    Die Wiedergabe der Erstmitteilung. Häufig einleitend mit „In dem Artikel wird behauptet, … .“.

4.    Die eigentliche Erwiderung: „Diese Aussage ist falsch. Richtig ist, … .“.

5.    Abschließend mit Ort, Datum, und Unterschrift.

Im Folgenden die Abbildung einer Gegendarstellung, wie sie typischer Weise auftritt. Am Ende eines längeren Artikels, der eine Seite nicht komplett ausgefüllt hat.


Dementsprechend kann eine den formellen und inhaltlichen Ansprüchen genügende Gegendarstellung wie folgt erstellt werden.


2.2.7. Die Gegendarstellung im Spiegel
Die innerhalb des Spiegels veröffentlichten Gegendarstellungen unterliegen ebenso umfassend den Richtlinien der Pressegesetzgebung, wie es das Format in jedem anderen Medium prägt, insofern das Druckerzeugnis im deutschen Bundesgebiet vertrieben wird.

Dabei wird jeder erhobene Gegendarstellungsanspruch an den Verleger und den jeweiligen für den Konfliktinhalt verantwortlichen Redakteur gesandt. Beim Spiegel sind dies der federführende Autor und der zuständige Dokumentationsjournalist. Im Folgenden überprüft die Redaktion in Absprache mit der Rechtsabteilung des Mediums, ob die Gegendarstellung den Formalien und pressegesetzlichen Richtlinien genügt. Ist dies der Fall, wird dem Anspruch stattgegeben und dessen Inhalt hat im nächsten Druckerzeugnis zu erscheinen. Wurden Formfehler ausgemacht, wird dies dem Anspruchsteller mitgeteilt, der wiederum bis höchstens drei Monate nach Veröffentlichung der ursprünglichen Tatsachenbehauptung des Mediums Zeit hat, seine Gegendarstellung zu überarbeiten.

2.3. Das Internet
Abbildung 4 | Eigene Darstellung. Logo Internet.
 Das Internet als Trägermedium und Multiplikator von Inhalten und Öffentlichkeit steht synonym für die „Digitale Revolution“. Die Zugänglichkeit von Informationen wurde durch die globale Vernetzung über das sogenannte „WorldWideWeb“ exponentiell gesteigert. Die Kommunikation zwischen Rezipienten und medialen Sendern sowie die allgemeine zwischenmenschliche Interaktion erfahren durch die Angebote der Internetdienste einen Wertewandel. Inwiefern sich unsere Gesellschaft durch das Internet verändert ist Gegenstand aktueller Forschung.

2.3.1. Entwicklung und historischer Abriss
Die Entwicklung des Internets geht bis in das Jahr 1969 zurück. Um den Datenaustausch verschiedener Institutionen innerhalb der USA zu beschleunigen, entwickelte das US-Verteidigungsministerium eine Software zur Vernetzung unterschiedlicher Rechenzentren. Dies sollte helfen die Kapazitäten der standortgebundenen Großrechner effektiv auszulasten. Bekannt wurde das Projekt unter dem Namen „Advanced Research Project Agency“, aus dem die häufig zitierte Abkürzung „ARPA-Net“ resultierte. Die darüber primär angewandte Applikation war die „E-Mail“. Eine daraufhin erweiterte Version wurde 1983 unter dem Namen „Internet Protocoll“ eingeführt. Es war nun theoretisch möglich, Daten weltweit zu versenden 27.

In der Folge entwickelten auch andere Staaten, insbesondere deren Universitäten, eigene Versionen eines Systems für elektronischen Datenaustausch. Das zugrunde liegende Internet Protocoll stand dabei Pate für den Namen des sich bildenden Netzwerks. In den Folgejahren tauchten auch Verhaltensregeln und durch die Entwicklung des „Domain Name Systems“, kurz DNS, personalisierbare Bezeichnungen auf – erste Anzeichen einer Netzkultur 28.

Die tatsächliche globale Kompatibilität, der zuvor oft landesspezifisch getrennten Netzwerke, wurde durch die Entwicklung des „Hypertextes“ gegeben. Auf Anregung der „National Science Fundation“ etablierte der britische Informatiker Tim Berners-Lee am europäischen Kernforschungsinstitut „CERN“ damit die Grundlage des „WorldWideWeb“. Am 6. August 1991 machte er dieses Projekt eines Hypertext- Dienstes weltweit verfügbar. Durch die Verbreitung von Visualisierungsprogrammen, den sogenannten „Webbrowsern“, wurde die Darstellung von Inhalten nutzerfreundlich. Daraus resultierte ein enormer Popularitätsschub des WorldWideWebs. Deren Evolution prägt das Verständnis des Internets bis heute 29.

2.3.2. Status Quo
Der 2003 in einem Artikel über die Aussichten von „Webservices“ erstmals populär gemachte Begriff „Web 2.0“ steht synonym für die Evolution des Internets. Darunter subsumieren sich die Veränderung der Wahrnehmung und Nutzung des Internets sowie die Verknüpfungsmöglichkeiten von audiovisuellen Darstellungsformen und Textinhalten. Unterstützt durch interaktive Anwendungen werden von den Nutzern des Internets Inhalte erstellt, geteilt und bewertet 30.

Die vormalige Publikationshoheit etablierter Medienbetriebe und Unternehmen wird durch eine Vielzahl von Nutzern und deren Aktivitäten aufgebrochen. Maßgeblich für diese Entwicklung sind und waren die sogenannten „Social-Media-Plattformen“, Anwendungen über die sich Nutzer auch untereinander in Teilöffentlichkeiten vernetzen können. So entsteht ein konvergenter Austausch von Inhalten über das weltweite Datenraster 31.

Vermehrt werden über solche sozialen Plattformen, beispielsweise „Twitter“, „Facebook“ oder „Twitch“ Neuigkeiten und Nachrichten generiert bzw. verbreitet. Dies wiederum macht sie zum Gegenstand der Berichterstattung und Tätigkeitsfeld etablierter Medienunternehmen 32.

2.3.3. Einwirkungen auf den Journalismus
Das Internet hat die sogenannte „Einbahnstraße zwischen Sender und Empfänger (Ruß-Mohl, 2010, S. 175)“ in eine Zweiwegkommunikation gewandelt. In keinem anderen Medium kann das Publikum eher in Augenhöhe mit den Redakteuren eines journalistischen Angebots kommunizieren, als über das Internet.

Dies verlangt in der Kommunikation zwischen, sowie mit den Nutzern eine ausgeprägte Moderation. So ist es Aufgabe der Redaktion des betreffenden Medienangebots, einen Missbrauch der Kommentarfunktionen, etwa in Form von Beleidigungen, Anfeindungen oder gar strafbaren Äußerungen zu unterbinden und das Gefühl zu vermitteln, die Rückmeldungen würden auch wahrgenommen.

Daneben sind durch die nahezu unbedingte Möglichkeit, Inhalte weltweit zugänglich und aktuell zu machen, neue Recherchewege entstanden. Auch die journalistischen Darstellungsformen verschmelzen zusehends durch die Erschließung des Internets als Distributions-Kanal für klassische Medien. Dieser Vorgang ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass sich eine Professionalisierung des Online-Journalismus feststellen lässt, insofern als dass sich aus der vielfältigen Masse an Informationsanbietern eine Aufteilung in mehr oder weniger qualitative Produkte ausmachen lässt. (vgl. ebda., S. 173). Dies bietet auf der einen Seite Möglichkeiten auf der anderen jedoch auch Risiken.

So nimmt der Aktualitätsdruck auf die Redaktionen zu. Vor allem, da sich deren Leser bzw. Zuschauer Informationen nun ohne umfangreiche Vorkenntnisse direkt über Suchanfragen im WorldWideWeb holen können. Jedoch auch durch den gestiegenen Wettbewerbsdruck mit der vermeintlichen Verfügbarkeit jedes journalistischen Onlineproduktes in nahezu allen Teilen der Welt (vgl. ebda., S. 174).

Insbesondere die Frequentierung von Nachrichtenmagazinen in Druckform hat durch deren vergleichsweise mangelnde Aktualität gelitten. Ereignisse können über das Internet praktisch ohne nennenswerte Verzögerung übermittelt werden, Printmedien haben erst nach dem nächsten Druck die Möglichkeit ihre Leser zu informieren 33.

Ein aus fehlenden Qualitätskontrollen resultierendes Problem des Internets ist die Recherche über digitale Anwendungen und Suchmaschinen. Da es keine allgemeingültige Norm oder Formatierung für virtuelle Inhalte gibt, sind der Wahrheitsgehalt und die Urheberschaft oftmals nicht belegbar. So könne jeder, der beispielsweise einen „Webblog“ liest, bemerken, dass Subjektivität, Polemik und Parteilichkeit dominieren; Authentizität ist oftmals wichtiger als Objektivität (vgl. Bolz, 2007, S. 30).

2.3.4. Einwirkungen auf die Recherche
Die Problematik Inhalte aus dem Internet nicht verifizieren zu können, ist vor allem für die journalistische Recherche von Bedeutung. Hierbei kollidieren der qualitative Anspruch an überprüfte und wahrheitsgetreue Inhalte und das Bedürfnis auf möglichst zeitnahe Berichterstattung. Aufgrund einer fehlenden Rasternorm, die auf sämtliche digitalen Informationen anwendbar ist, bleibt dem Rechercheur im Zweifelsfall nur die Abwägung, ob Dringlichkeit und der Inhalt eine zweifelhaften Information das Risiko einer Falschmeldung rechtfertigen.

Insofern beschränken sich die Rechercheanwendungen vieler Verifikationsvorgänge überwiegend auf die Angebote etablierter Informationsdienste und Nachrichtenagenturen. So bezieht beispielsweise die Dokumentation des Spiegels einen Großteil ihrer verifizierten Daten über die externen Dienste von „Lexis/Nexis“, „Faktiva“ oder „Bloomberg (vgl. Janssen, 2014, S. 5)“. Wohingegen Institutionen, die bereits vor dem Aufkommen des Internets Anlaufstelle der Recherche waren, mit dem Auslagern ihrer Archive auf digitale Datenträger einen entscheidenden Anteil an der Vernetzung von Wissen haben. Beispielsweise das „Österreichische Staatsarchiv“ und dessen Nationalbibliothek, deren digitale Ressourcen bis hinein in die Druckwerke des 15. Jahrhunderts verfügbar sind. Eine Vorreiterrolle nimmt hierbei auch das Spiegelarchiv mit seinen über das Internet erfassbaren Presseschauen der vergangenen Jahrzehnte ein 34.

2.3.5. Das Internet und der Spiegel
Bereits 1990 setzte in der Dokumentation des Spiegels die Digitalisierung des umfangreichen Archivs ein. Die Presseschauen wurden nun sowohl in gedruckter Form eingelagert, als auch im Datenformat erfasst. Betraf dies zunächst nur das eigene Druckerzeugnis, weitete sich das Bild- und Textarchiv mit dem Fortschreiten der Technik zur digitalen Datenerfassung kontinuierlich aus. Heute werden regelmäßig über 300 Publikationen gescannt und verschlagwortet. Durch die schrittweise Einführung moderner Informationstechnologie, insbesondere die Entwicklung eines eigens für den Spiegel konzipierten Redaktionssystems, der sogenannten „DIGAS Archivdatenbank“ erweiterten sich auch die Recherchemittel der Journalisten und Dokumentare.

Getrennt davon existiert Spiegel Online. Die Internetseite wurde am 25. Oktober 1994 als hundertprozentige Tochter des Spiegel-Verlags gegründet. Damit gilt sie als erstes Nachrichtenmagazin im WorldWideWeb, noch vor dem „Time Magazine“, das sich nur einen Tag später eine eigene virtuelle Präsenz schuf 35.

Obgleich Spiegel Online redaktionell unabhängig von der Printausgabe agieren sollte, übernahm der Internetauftritt in der Anfangszeit weitestgehend die Artikel aus den wöchentlichen Publikationen. Zwei Jahre später startete die aktuelle Berichterstattung unter dem vom „Kultur Spiegel“ abberufenen Chefredakteur Dieter Degler. Über Höhepunkte, etwa in der zeitnahen Berichterstattung des Bombardement von Bagdad durch amerikanische Streitkräfte 2003, und Tiefphasen, beispielsweise durch die ungekennzeichnete Übernahme von Texten aus der „Wikipedia-Enzyklopädie“ 2005, rangiert die Internetseite heute unter den meistfrequentierten Informationsangeboten des deutschsprachigen Raums. Für das Jahr 2002 errechnete das „Allhaus-Institut“ zum ersten Mal eine wöchentliche Verbreitung, die ebenso groß ist wie die gesamte verkaufte Wochenauflage der Print-Ausgabe. Der „finanzielle Durchbruch (vgl. Bönisch, 2006, S. 9)“ erfolgte im Jahr 2005 mit einem Umsatz von etwa 10 Millionen Euro.

2.4. These
In Anbetracht der drei genannten Bezugsbegriffe, dem Spiegel als Medium, der Gegendarstellung als primärem Objekt der Untersuchung und dem Internet als eventuellem Einflussfaktor, soll infolge des Forschungskapitels folgende These beleuchtet werden:

Das Internet und die durch dieses globale Netzwerk etablierte digitale Informationstechnologie verändern die Welt seit 1990 maßgeblich. Für die Arbeit von Redaktionen wie die des Nachrichtenmagazins, der Spiegel, bedeutet diese Entwicklung neue Recherchemöglichkeiten. Durch diesen Wandel hat sich auch die Gegendarstellung innerhalb des Spiegels verändert.