Öffentlichkeit der Habsburger

Personenkult und Propaganda der Habsburgermonarchie – Eine Darstellungsanalyse Kaiser Franz Josephs I.
 
Forschungsbereiche:

1. Medien im Kaiserreich
2. Pressepolitik 1848-1918
3. Haus Habsburg und Kaiser Franz Joseph I.
4. Schicksalsschläge und Echo in der Presse
5. Herrschertum und Öffentlichkeit


6. Kaiser Franz Joseph I.
Franz Joseph war als ältester Sohn von Erzherzog Franz Karl und Sophie von Bayern, ihm war als Thronprätendent schon von klein auf eine Rolle als Herrscher Österreichs zugedacht. Insbesondere seine Mutter brachte ihn auf diesen Weg und versuchte Zeit ihres Lebens dafür zu sorgten, dass er auf diesem auch nicht ins Straucheln geriet. Er war mit achtundsechzig Jahren als Kaiser der Monarch mit der längsten Regentschaft in der Geschichte der Habsburgerdynastie. Dabei hielt er Pflichtbewusstsein, Fleiß und Religiosität als Tugenden stets am höchsten. Während er sich an Kirche und Militär orientierte, galt sein Streben immer dem Erhalt der Donaumonarchie. 

© Leopold Horowitz / Kaiser Franz Joseph von Österreich-Ungarn/


6.1. Der Vater Franz Karl von Österreich (1802-1878). Kaiser Franz Josephs Vater war der jüngere Bruder von Ferdinand I. (1793–1875) und das Neunte von zwölf Kindern von Kaiser Franz I. (1768-1835) und Maria Theresa von Neapel–Sizilien (1772–1807). Seine Rolle in der Geschichte Österreichs wird gemeinhin als eher unbedeutend eingeschätzt. Obgleich er als Mitglied der geheimen Staatskonferenz Anteil an der Regierung des Kaiserreiches hatte, da sein Bruder, Kaiser Ferdinand I., für unfähig befunden wurde zu herrschen. 

Die weitreichendste Folge seines politischen Handelns war wohl der Verzicht auf den Kaiserthron nach der Abdankung Ferdinands I. am 2. Dezember 1848. Dies geschah auf Drängen seiner ehrgeizigen Frau. 

Er starb am 8. März 1878 in Wien und wurde als letzter Habsburger nach dem alten Hofprotokoll bestattet. Dies bedeutete, dass seine Herzurne in der Augustinerkirche, die Eingeweide im Stephansdom und der Körper in der Kapuzinergruft beigesetzt wurden.

© Wurzbach 614 (Werksverzeichnis Josef Kriehuber) / Franz Karl von Österreich (1802-1878), Erzherzog von Österreich, Vater des Kaisers Franz Joseph I. / 1850
6.2. Die Mutter Sophie Friederike von Bayern (1805-1872). Sophie Friederike von Bayern war das Sechste von acht Kindern des bayrischen Königs Maximilian I. (1756-1826) und seiner Ehefrau Karoline Friederike von Baden (1776- 1841). Ihre Zwillingsschwester war Königin Maria Anna von Sachsen (1805-1877). 

Prinzessin Sophie galt als eine selbstbewusste, willensstarke, gebildete und vor allem ehrgeizige Frau. Ihre Schwestern hatten glänzende Partien gemacht und waren Königinnen des aufstrebenden Preußens und Sachsens geworden. Als Gemahlin von Kaiser Franz I. war ihre Stiefschwester, Karolina Augusta, österreichische Kaisern. Als es galt, den zweiten Sohn des Kaisers, Erzherzog Franz Karl, zu vermählen, war es diese, ihre Stiefschwester, die das Arrangement zwischen Kaiser Franz I. und König Maximilian Joseph I. anstieß.48 Glücklich über diese Entscheidung war die junge Sophie nicht, ihr Verlobter war zwar nicht schwer krank wie der österreichische Kronprinz Ferdinand, doch galt er als geistig minderbemittelt, unattraktiv und als keinesfalls ebenbürtiger Partner für die bayrische Prinzessin. So schrieb Sophie nach ihrem ersten Zusammentreffen mit Erzherzog Franz Karl an ihre Mutter: „’Er ist ein bon garcon, er fragt jedermann um Rath, mais il est terrible ... Mich würde er zu Tode langweilen!’“49. Ob König Maximilian I. das Kalkül hegte, dem österreichischen Thronfolger Ferdinand würde durch seine schwere Epilepsie nur ein kurzes Leben und wenn überhaupt nur eine knappe Regentschaft beschieden sein, womit Erzherzog Franz Karl, als Thronfolger schon bald die Kaiserwürde empfangen könnte, sei dahingestellt. Eingedenk der damals in Adelskreisen vorherrschenden Devise, nach welcher Töchter als politische Handelsware galten und die Erhaltung der Dynastie oberste Priorität hatte, kann es dennoch als wahrscheinlich gelten, dass solche Gedanken in den Heiratsplänen der Eltern durchaus eine tragende Rolle gespielt haben. Die Besiegelung des Ehevertrags zwischen den beiden Herrscherhäusern Österreich und Bayern durch die Hochzeit von Erzherzog Franz Karl und Prinzessin Sophie Friederike fand 1824 statt.

Nach sechs Jahren erfüllte sie ihre eheliche Pflicht und gebar nach mehreren Fehlgeburten ihren ersten Sohn – Franz Joseph. Im Bewusstsein, dass ihr Schwiegervater Kaiser Franz I. eine besondere Zuneigung zu seinem jungen Enkel Franz Joseph entwickelte, begann Sophie ihre Stellung bei Hofe zu festigen. Sie knüpfte Kontakte, schuf sich Verbündete und Vertraute, auf deren Unterstützung sie bauen konnte. Im Gegensatz zu ihrem Mann war die nun als Erzherzogin titulierte Sophie politisch interessiert und verstand es ihre Interessen zu vertreten. Kronprinz Ferdinand galt als impotent und es zeichnete sich zunehmend ab, dass er nicht fähig war, das Kaiserreich zu führen. So verfolgte Erzherzogin Sophie nun nur noch konsequenter ihr Ziel, ihren Erstgeborenen Franz Joseph als Thronfolger und Hoffnungsträger der Habsburgerdynastie zu etablieren. 

© Ludwig Angerer - Jörg C.Steiner: Der k.u.k. Hofstaat - 1858-1918. ALBUM Verlag für Photografie, Wien 1997



6.3. Die Beziehung zur Mutter. Kaiser Franz I. hatte der neunzehn Jahre alten Sophie bei ihrer Ankunft in Wien gesagt, sie müsse bei ihrem Mann alles selbst in die Hand nehmen. Diesem Rat war sie gefolgt. 

Durch ihr Interesse am politischen Geschehen und geschicktes Taktieren hatte sie sich den Ruf erworben „der einzige Mann bei Hof“51 zu sein. Sie war es, die ihren Sohn in die Position gebracht hat, Kaiser werden zu können und sie blieb es auch, die den größten Einfluss auf Franz Joseph hatte. Zeit ihres Lebens blieb sie die letzte und wichtigste Entscheidungsinstanz für den Kaiser. 

De jure war es mit dem Verzicht seines Vaters, Erzherzog Franz Karl, auf den Thron, Franz Joseph, der die Staatsgewalt in Händen hielt. De facto besaß aber seine Mutter Sophie einen derart starken Einfluss auf den Kaiser, dass sie durch ihn ihre Ansichten und Meinungen, wie die Politik Österreichs aussehen solle, durchsetzten konnte. Von Kindheit an hatte sie ihren Sohn nach einer streng katholischen Weltanschauung und in dem Bewusstsein erzogen, einen gottgewollten Herrschaftsanspruch zu verkörpern. Franz Joseph wurde nach ihren reaktionären Vorstellungen geformt. Er war der Vollstrecker des politischen Willens der Erzherzogin.52 Doch war es auch Sophie, die für ihren Sohn einstand, so er unter Druck geriet. Nach den verlustreichen Schlachten im Krieg gegen Sardinen-Piemont war es die Erzherzogin, die in Wien die Wichtigkeit des Krieges betonte und für Franz Joseph Stimmung machte, wohingegen seine Frau Elisabeth passiv blieb und sich in der Öffentlichkeit kaum zeigte. 

Zwischen Kaiserin Elisabeth und der Erzherzogin kam es zu Spannungen. Die Vorstellungen, welche die beiden Frauen darüber hatten, wie Elisabeth ihre Kinder erziehen sollte, welche Aufgaben sie als Gattin des Herrschers erfüllen müsse und wie sie sich generell als Kaiserin zu verhalten habe, gingen in gänzlich verschiedene Richtungen. Dies brachte Franz Joseph in einen Interessenskonflikt, den er außerstande war zu lösen. Er war seiner Mutter Sophie hörig, liebte aber auf der anderen Seite seine Frau so abgöttisch, dass er ihr jeden Wunsch erfüllen wollte. Den Sieg, den Elisabeth errang, indem sie durchsetze, ein nahezu freies Leben ohne intensive Verpflichtungen bei Hof führen zu können, entpuppte sich für sie über die Jahre hinweg dann aber doch als Niederlage. Denn Erzherzogin Sophie war und blieb es, die das Zepter in der Hauptstadt führte und ihren Einfluss auf den Kaiser und seine politischen Entscheidungen durch die Abwesenheit der Kaiserin nur noch mehr ausbauen konnte. Dennoch war der Kompromiss, Elisabeth ziehen zu lassen, für alle Beteiligten der Weg des geringsten Widerstandes, obgleich es für Franz Joseph bedeutete, ohne seine Liebe Elisabeth leben zu müssen. Letzten Endes war er der größte Verlierer in diesem familiären Rollenkonflikt. 



6.4. Franz Joseph (1830-1916). Am 18. August 1830 wurde Franz Joseph Karl von Habsburg als erster Sohn des Erzherzogs Franz Karl von Österreich (1802–1878) und seiner Frau Sophie Friederike von Bayern (1805–1872) im Schloss Schönbrunn bei Wien geboren. 

Die moderne Geschichtsschreibung interpretiert Franz Joseph als zwiespältige Figur. Auf der einen Seite wird er als nostalgischer Übervater inszeniert, als tragischer Monarch mit einem schweren Schicksal, das er stoisch über sich ergehen ließ. Er gilt als Souverän, der das zerfallende Kaiserreich zu einer letzten Blüte führte und als alter aber fester Fels, in der Brandung aufkommender Nationalitätskonflikte als Instanz der Bewahrung wirkte. 

Auf der anderen Seite ist seine Darstellung geprägt von den politischen und zwischenmenschlichen Fehltritten, die er während seiner Regentschaft beging, beziehungsweise der Scheu vor Entscheidungen, die ihm anhaftete. Entscheidungen, die das im Wandel begriffene Österreich dringend gebraucht hätte. Sein reaktionärer Geist hinderte ihn Zeit seines Lebens daran, sich aus Eigeninitiative heraus zu wirklichen Reformen durchzuringen. 

6.5. Kindheit. Seine Kindheit verbrachte er in der Wiener Hofburg, in Schönbrunn und zeitweise in Ischl. Als seine erste Erzieherin wurde Luise Baronin von Sturmfeder bestimmt. Sie galt als herzliche, aber auch strenge Frau, die den ihrer Obhut überantworteten Erzherzog alsbald in ihr Herz schloss und wie ihr eigenes Kind behandelte. Diese liebvolle Bindung sollte den Kaiser prägen. Baronin Sturmfeder war der festen Überzeugung, dass verwöhnte und verhätschelte Kinder verweichlichte und schwache Erwachsene werden würden. Entgegen den Anweisungen des Hofarztes Dr. Malfatti ging sie mit dem jungen Franz Joseph auch bei schlechtem Wetter spazieren. 

Bereits im Alter von zehn Monaten zeigte sich der kleine Erzherzog vom Militärfasziniert.55 Oft verfolgte er die Wachablöse im inneren Burghof. Mit achtzehn Monatenkonnte er zwischen Offizieren und Soldaten unterscheiden. Mit drei Jahren beherrschteer alle Distinktionen der Armee und die Farben der einzelnen Regimenter. DieMiniaturuniform, die ihm seine Mutter Sophie schneidern ließ, sollte den Stil seinerKleidung sein Leben lang bestimmen. Kaiser Franz Joseph trug am liebsten Uniformenund entwickelte ein regelrechtes Faible für alle Arten von Militärkleidung. Die Diplomaten, die an den Wiener Hof reisten, wussten diese stille Leidenschaft zu befriedigen und brachten dem Kaiser als Präsent oft die Uniformen ihres jeweiligen Landes mit.

Kurz nach der Geburt Franz Josephs heiratete sein Onkel, Kronprinz Ferdinand, Maria Anna von Savayon. Dies schwächte Erzherzogin Sophies Stellung bei Hofe, da ihr Sohn so nun wieder weiter von einer möglichen Thronfolge entfernt war. Sie begann, zahlreiche Porträts des jungen Franz Josephs anfertigen zu lassen. Oft ging sie mit ihm im Schönbrunner Park spazieren, um den Wienern ihren Sohn zu präsentieren und ihn so auch in der Bevölkerung beliebt zu machen. Sophie war darauf bedacht, ihn auch bei Hof als stillen Thronfolger zu etablieren, so gab sie Audienzen mit dem Kind am Arm und führte Franz Joseph täglich nach dem Diner in das Arbeitszimmer des Kaisers, wo die beiden eine Stunde lang miteinander spielten. Kaiser Franz I. wurde das große Vorbild des jungen Franz Josephs und der kleine Erzherzog der Lieblingsenkel des alternden Monarchen. 1835, Franz Joseph war zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt, verstarb Kaiser Franz I. und Ferdinand folgte ihm auf den Kaiserthron nach. Als sich abzeichnete, dass der epileptische neue Kaiser nicht in der Lage war, Nachkommen zu zeugen, verstärkte Erzherzogin Sophie ihre Bemühungen, Franz Joseph als den zukünftigen Kaiser von Österreich zu erziehen. Er erhielt eine äußerst strenge Ausbildung mit militärischem Drill. Im wurde indiziert, er sei etwas Besonderes. Man erzog ihn im Sinne der absoluten Überzeugung des Herrschertums von Gottes Gnaden. Bewusst wurde das kleine Kind isoliert, um die besondere Stellung bei Hof hervorzuheben. Nur wenige Kinder erfüllten für Erzherzogin Sophie die Anforderungen, um mit Franz Joseph spielen zu dürfen. Im Alter von zwei Jahren bewältigte der kleine Erzherzog seinen ersten öffentlichen Auftritt – die erste von vielen Fronleichnamsprozessionen in Wien. Zum Stolz seiner Mutter absolvierte er diese Aufgabe mit Bravour. An der Hoftafel nahm Franz Joseph zum ersten Mal 1834 teil, im selben Jahr begann seine militärische Erziehung. Sie war geprägt durch einen minutiös geplanten Tagesablauf. Er begann für den Knaben um sieben Uhr früh, um sieben Uhr dreißig begann der Unterricht, der durch einige Pausen unterbrochen, bis sieben Uhr abends dauerte. Nach einem Abendessen ging es um acht Uhr ins Bett. 

6.6. Ausbildung. Mit dem vollendeten sechsten Lebensjahr begann der nächste Abschnitt in der Erziehung des Erzherzogs. Der erste Akt seiner eigentlichen Ausbildung als Thronprätendent wurde hiermit eingeläutet. Franz Joseph zog aus der Kinderkammer, die er zusammen mit seinen Brüdern Ferdinand Max und Carl Ludwig bewohnt hatte, in ein eigenes Appartement. Auch der Obhut von Baronin Sturmfeder wurde er entnommen und ihm wurde ein männlicher Erzieher zugeteilt. Die Wahl dieser Person wurde mit großer Sorgfalt getroffen, denn man war sich darüber im Klaren, dass die Ausbildung, die ein Erzherzog in diesen jungen Jahren erhielt, ihn maßgeblich prägen würde. Folglich war die Aufgabe des Erziehungsberechtigten eine sehr verantwortungsvolle und wichtige Stellung bei Hofe. Auch hier kann angenommen werden, dass politische Erwägungen bei der Auswahl mehr galten, denn pädagogische.

Die Wahl traf der Staatskanzler. Ernannt wurde Heinrich Graf Bombelles von Fürst Metternich mit folgender Begründung: „’Ich reihe Bombelles unter die geringe Zahl von Menschen ein, die infolge einer angeborenen Neigung das dachten, was ich dachte, das sahen, was ich sah, und das wollten, was ich wollte’“58. Erzherzogin Sophie zeigte sich davon wenig begeistert, da Bombelles ihr als Sohn eines beinahe mittellosen, noch dazu französischen, Diplomaten nicht viel galt. Nur die tiefe Gläubigkeit des bekennenden Katholiken überzeugten sie schließlich, ihn zu akzeptieren. Ihr war bewusst, dass der Erzieher als „Primo Ajo“ eher eine Aufsichtsfunktion innehatte. Die eigentliche Ausbildung leitete der Haushofmeister, dessen Position wesentlich einflussreicher war, als die des Erziehers. 

Mit Oberst Johann Alexander Graf Coronini-Cronberg wurde die Stelle von einer Person eingenommen, welch großen Wert auf eine militärische Prägung der Erziehung legte. Der Oberst war ein Soldat der alten Schule, steif, streng und pedantisch. Maßgeblich ist es ihm zuzuschreiben, dass Franz Joseph eine hauptsächlich militärisch ausgelegte Ausbildung erhielt und sich sein gesamtes Leben lang der Armee verbunden fühlte. All dies geschah unter der Kontrolle von Franz Josephs Mutter, die selbst bei den Unterrichtsstunden anwesend war. 

Der junge Erzherzog zeigte sich von Beginn an als gewissenhafter, gehorsamer und pflichtbewusster Schüler. Er entwickelte durch die strenge Erziehung Graf Coroninis einen besonderen Hang zu geregelter Arbeit und bürokratischen Vorgehensweisen. Pünktlichkeit galt als oberste Prämisse.59 Auch hielt Erzherzogin Sophie die Tradition von Theateraufführungen im familiären Kreis aufrecht. Sie ließ ihre Söhne Stücke einstudieren und vorführen. Dabei ging es nicht allein um eine illustre, abendliche Vorführung. Der pädagogische Gedanke bestand darin, dass die Kinder so einen sicheren Auftritt vor Publikum lernen und die Scheu verlieren sollten, vor Menschen zu sprechen.

Im Jahr 1842 wurde der Stundenplan Franz Josephs auf fünfzig Einheiten erweitert. Er lernte verschiedene Sprachen. Ungarisch, um der Bedeutung des größten Reichsteils – des ungarischen – Rechnung zu tragen. Französisch, das noch immer als internationale Sprache des Adels galt und in Diplomatenkreisen als Amtssprache genutzt wurde. Darüber hinaus noch Tschechisch und Latein. Praktische Lehrfächer waren Tanzen, Reiten und Exerzieren. Andere Fächer waren Geografie, Geschichte, Politikwissenschaften und Rechtskunde, sowie naturwissenschaftliche Fächer wie Mathematik, Physik und Chemie. Vor allem aber Religion. Das Weltbild des Erzherzogs wurde klerikal und militärisch geprägt. Diese Normen begleiteten in durch sein gesamtes Leben. 

Um Franz Joseph und seine Brüder auf die Gesellschaft der adeligen Familien vorzubereiten, wurden regelmäßig sogenannte Kinderbälle veranstaltet.60 In jedem Belang seiner Erziehung wurde der junge Erzherzog auf die Thronfolge vorbereitet. Dass all dies für das Kind sehr belastend gewesen sein muss, zeigt sich daran, dass Franz Joseph über einen längeren Zeitraum hinweg jeden Morgen über Magenschmerzen klagte und vor dem Unterricht erbrach. Ein Symptom, das bei vielen Kindern und Jugendlichen als Anzeichen für eine psychische Überlastung gilt. Hervorgerufen durch fehlende Bezugspersonen oder eine als zu hoch empfundene Erwartungshaltung der Eltern und Vorbilder. Mit vierzehn Jahren erhielt er das Goldene Vlies, den höchsten Orden des Hauses Österreich. Ein Jahr zuvor wurde er zu seinem dreizehnten Geburtstag zum Obersten des Dragonerregiments Nr. 3 ernannt.

6.7. Die Thronbesteigung. In Reaktion auf die bürgerliche Revolution 1848 in Wien floh der Hof erst nachInnsbruck, später nach Olmütz. Von Kaiser Ferdinand war keine Initiative zu erwartenund auch Franz Josephs Vater, Erzherzog Franz Karl, besaß nicht das Stehvermögen,um die Entscheidungsgewalt an sich zu reißen. Gemeinhin traute man ihm nicht diedafür nötige Intelligenz, Tatkraft und das entsprechende Auftreten zu. Während im Exilfieberhaft nach einer Lösung gesucht wurde, um die politisch prekäre Lage zuberuhigen, kam so immer öfter Franz Joseph als potenzieller Nachfolger ins Gespräch. 

Der junge, beliebte und ansehnliche Erzherzog war über die Jahre zu einem vielversprechenden Kandidaten herangewachsen. Die Hoffnungen seiner Mutter, Erzherzogin Sophie, ihr Franz Joseph werde einmal Kaiser werden, waren in greifbare Nähe gerückt. Dem Ziel voraus ging allerdings noch die Diskussion über den Namen, den der neue Kaiser annehmen würde, Franz II. In Anlehnung an den von Mutter und Sohn gleichermaßen verehrten Kaiser Franz I. wurde von den Politikern strikt abgelehnt, da diese Bezeichnung zu sehr an die unmittelbare Vergangenheit anknüpfte. Die Entscheidung viel auf einen Doppelnamen – Franz Joseph I.. Mit diesem Kompromiss wurde sowohl dem Willen nach einer Anlehnung an den Großvater Franz Joseph entsprochen, wie auch ein bewusster Bezug zum Reformkaiser Joseph II. gesetzt. So sollte gleichermaßen Neuerung, wie auch Tradition symbolisiert werden. Schließlich am 2. Dezember 1848 erfüllten sich die Erwartungen der Erzherzogin Sophie, als Kaiser Ferdinand I. abdankte, Franz Karl zugunsten seines Sohnes auf den Thron verzichtete und so Franz Joseph im Alter von achtzehn Jahren Kaiser von Österreich wurde. Franz Joseph, von Kindheit an auf die Rolle als Kaiser vorbereitet, ereilte die Bürde des Herrschertums von vielen unerwartet früh. Dennoch meisterte er die Situation beherrscht und mit sicherem Auftreten, wie seine Mutter in ihrem Tagebuch schilderte: „’Gegen 8 Uhr versammelte sich die Familie vor dem Kaiser im Saal, (...) wir setzten uns im Halbkreis, der Kaiser las einige Worte des Verzichts, die mich weinen ließen, auch Elisabeth und besonders Maxi, Charles und Joseph, die nichts geahnt hatten. Schwarzenberg las alle Papiere vor, die sich auf diesem Akt bezogen, die beiden Kaiser unterzeichneten sie. Franzi erbat den Segen des Kaisers, der ihn umarmte, ebenso die Kaiserin. Diese besonders zärtlich. Unser liebes Kind kniete vor Franz Karl und mir nieder und erbat unseren Segen. Er warf sich an mein Herz und hielt mich lange in den Armen. Es war so berührend’“. 

6.8. Die ersten Regierungsjahre. In den ersten drei Jahren seiner Regentschaft stützte sich Franz Joseph noch weitgehendauf Prinz Felix Schwarzenberg, seinen Ministerpräsidenten. Von Beginn an war eraußerordentlich gewissenhaft und fleißig. Er wollte seinen Völkern ein tatkräftigerHerrscher sein und den in ihn gesetzten Erwartungen, allen voran denen seiner Mutter,gerecht werden. Dieses Denken und die Schonungslosigkeit, mit der er sich selbsttagtäglich aufs Neue zur Ordnung und Arbeit rief, begleiteten seine 68 Jahre andauerndeRegentschaft. Diese Zähigkeit ging mit einer Starrheit im Denken und einer gewissen Fantasielosigkeit einher. Diese wiederum waren im negativen Sinne ein Indiz dafür, warum sich sein Selbstverständnis über den Zeitraum von fast siebzig Jahren kaum änderte und nur minimal den Veränderungen, welche die Zeit mit sich brachte, anpasste. Die traumatische Erfahrung, wie schnell es politische Strömungen schaffen konnten, die Existenz eines ganzen Reiches infrage zu stellen, war nicht spurlos am achtzehnjährigen Franz Joseph vorbeigegangen. War ihm doch seit seiner frühesten Kindheit indoktriniert worden, dass sein ganzes Leben den einen Sinn haben werde, eben dieses Reich zu erhalten und zu bewahren. Es war also nicht verwunderlich, dass der Kaiser sowohl dem Liberalismus als auch Nationalismus kritisch gegenüberstand und zeit seines Lebens eine Résistance gegen diese beiden stärksten Triebkräfte des 19. Jahrhunderts hegte.

Nach seinem Regentschaftsantritt erließ Franz Joseph am 4. März 1849 eine Reichsverfassung um den eskalierten Kräften innerhalb des Vielvölkerstaates Herr zu werden. Diese, sogenannte oktroyierte Märzverfassung wurde allerdings nie in vollem Maße umgesetzt und verlor 1851 schließlich mit den Silvesterpatenten ihre Gültigkeit. Ab diesem Zeitpunkt regierte der junge Monarch zentralistisch und absolutistisch. 

Erst der verlorene Krieg gegen Piemont-Sardinien durch die Niederlagen 1859 in den Schlachten von Magenta und Solferino ließen die Opposition im Kaiserreich kompromisslos nach Reformen verlangen. 

Gerade als er sich 1861 genötigt sah, die Forderungen des Liberalismus in begrenzter Weise freien Lauf zu lassen. Die Beharrlichkeit, mit der er seine Meinung, „dass es außerhalb des dynastischen Habsburgerstaates für die kleineren Volksgruppen und Volksteile, die den unendlich stärkeren historischen Völkern in Deutschland und Russland gegenüberstanden, keine Sicherheit geben konnte“ – bewahrheitete sich nach seinem Tod und dem Ende des Ersten Weltkrieges. 

Die Thronbesteigung Franz Josephs I. ging mit der Niederschlagung der bürgerlichen Revolution einher. Dies bedeutete den Sieg der monarchisch-konservativen Kräfte und den Beginn einer reaktionären Politik – dem sogenannten Neoabsolutismus. 

Nur der ungarische Reichsteil verweigerte dem Kaiserhaus weiterhin die Gefolgschaft. Dies gipfelte in der Ausrufung einer ungarischen Republik. Erst mithilfe zaristischer Truppen konnte der Aufstand niedergeschlagen werden. Unter dem Einfluss seiner erzkonservativen Berater beging der Kaiser in den ersten Monaten seiner Regentschaft schwere politische Fehler, die ihn viel von seinem bis dahin sehr positiven, öffentlichen Ansehen kosteten. Über 1700 angebliche Aufständische wurden zu langen Kerkerstrafen verurteilt. Besonders durch die Hinrichtung der ungarischen Revolutionäre, größtenteils Mitglieder des ungarischen Hochadels, machte er sich Feinde.

Neun der dreizehn festgesetzten, ungarischen Generäle wurden zudem gehängt, ein als besonders ehrlos angesehener Tod. Da es sich nach damaligem Kriegsrecht um Kriegsgefangene handelte, war dieses Vorgehen nicht nur besonders grob und taktlos, sondern schlichtweg gegen geltendes Recht. Verantwortlich für dieses Vorgehen war maßgeblich General Haynau, einer der militärischen Berater Franz Josephs, dem die Demütigung, dass das österreichische Heer nicht in der Lage war, die Aufstände ohne ausländische Hilfe unter Kontrolle zu bringen, schwer zu schaffen machte. Gegen den großen Einfluss, den General Haynau und die Kaiserin Mutter auf Franz Joseph I. hatten, kam auch der Appell des russischen Zaren um eine friedliche Lösung nicht an. Ebenso wenig wie der eindringliche Rat des Reichsverwesers Erzherzog Johann, die Ungarn mit Nachsicht und Milde für sich zu gewinnen und seine Herrschaft auf Frieden und Einigkeit, denn auf Schafott und Galgen, zu errichten. 

Mit der Hinrichtung des ungarischen Ministerpräsidenten Ludwig Graf Batthyány starb einer der führenden Aristokraten, die im Kabinett wiederholt für eine friedliche Lösung eingetreten waren. Weder war Graf Batthyány an den Kämpfen beteiligt, noch hatte er dem Kaiser die Huldigung verweigert. Graf Batthyány wurde am 6. Oktober 1849 in Pest erschossen. In ganz Europa stieß dieses Vorgehen auf Unverständnis und Entsetzten – man sprach von Justizmord. Mit dieser Entscheidung verlor der junge Kaiser einen beträchtlichen Teil seiner Popularität schon zu Beginn seiner Herrschaft. Er wurde in bitterer Zynik der „blutjunge“ Kaiser genannt. 

Erst als General Haynau einen direkten Befehl missachtete und sich dem Kaiser widersetze, die Entscheidung über alle Begnadigungen selbst vorzunehmen, wurde er aufgefordert, seinen Rücktritt einzureichen. Mit der Trennung von Haynau entspannte sich die Stimmung im Volk über den Kaiser allmählich. Dennoch sollten noch Jahre vergehen, ehe es zu einer offiziellen Aussöhnung mit Ungarn kommen konnte. Auch in den österreichischen Erblanden war das Ansehen von Regierung und Kaisers gesunken. Die Auflösung des Reichstags in Kremsier, die Verhaftung führender Demokraten und 1851 die Aufhebung der erst zwei Jahre zuvor vom Kaiser selbst erlassenen Verfassung, machten Franz Joseph außerordentlich unpopulär. Die Stimmung erreichte ihren Tiefpunkt in einem Attentat auf den Kaiser. Während eines Spaziergangs auf der Kärntner Bastei stürzte sich der ungarische Schneidergeselle János Libényi auf Franz Joseph. Er verletze den Regenten mit einem Messer leicht am Hinterkopf, ehe er niedergerungen werden konnte. Dieses Attentat brachte die Wende in den Sympathiewerten Franz Josephs. Die Erzherzogin Sophie setzte zusätzlich auf die Streuung von positiven Berichten. Franz Joseph sollte heiraten und eine Familie gründen.

© J. J. Reiner / Das Attentat auf Kaiser Franz Joseph I. am 18. 2. 1853. Ölgemälde / 1853


6.9. Hochzeit mit Elisabeth von Bayern. 1854, im Jahr der Hochzeit, wurde dieses Ereignis von den Medien positiv aufgenommen. Die Beschreibung vom Einzug der Braut am 23. April, in das zu diesem Anlass festlich geschmückte Wien, ist voll von überschwänglichen Formulierungen, welche die Größe des Herrschers und vor allem die Zugehörigkeit der Menschen zu ihrem Kaiser und Vaterland, ausdrücken. „Es war der Ausdruck jenes Gefühls, welches unsterblich in der Brust Österreichs waltet, eines Gefühls, so reiner und menschlicher Natur und zugleich erhöht und verherrlicht durch den erhabenen Gegenstand, an welchen es sich anschließen durfte. Es war ein allgemeines Verständnis, dass dieser Tag eine segensreiche, neue Epoche in den Analen Österreichs zu erschließen bestimmt war“.

Ausführlich werden Anzahl und Titel der aristokratischen Gäste gelistet, auch der Verlauf der Hochzeit am 24. April wird genau geschildert. Die Stimmung am Tag der Vermählung wurde in der „Wiener Zeitung“ ernst und feierlich wiedergegeben: „Der heilige Bund der Ehe reicht von der Erde in die ewigen Lichträume des Himmels durch den Segen der heiligen Kirche. Die vereinigten Tugenden, das gemeinsame Gebet eines hohen Regentenpaares sie sind wie ein Pfand des Glücks jenen Ländern, welche das Zepter des Monarchen beschattet.“ Am Tag der Hochzeit wurde veranlasst, dass das Hofburgtheater für all jene, die keinen Zutritt zu den Festlichkeiten in den inneren Gemächern der Kaiserburg hatten, Sondervorstellungen mit freiem Eintritt geben solle. 

6.10. Franz Joseph als Heerführer. Der Ausbruch des Krieges 1859 zwischen Österreich und Sardinien-Piemont, das Frankreich zu seinen Verbündeten zählte, war für den jungen Kaiser, nach seinem Verhalten im Revolutionsjahr, der Auftakt zu einem weiteren politischen Debakel. Der im Jahr zuvor verstorbene Oberbefehlshaber in Italien, Feldmarschall Radetzky, hinterließ eine große Lücke in der Heeresführung des Kaiserreiches. Die Niederlage in der Schlacht bei Magenta war für Franz Joseph der Anlass, selbst an die Front zu reisen und den Oberbefehl über die Armee zu übernehmen. In der Entscheidungsschlacht bei Solferino kam es zu einer weiteren folgenschweren Niederlage Österreichs – eine der blutigsten und verlustreichen, welche die habsburgische Armee je schlagen musste. Kaiser Franz Joseph I. hatte als Feldherr versagt. Auch an der Kaiserin in Wien kam Kritik auf. Ihre langen Ausritte und die Abkapselung vom gesellschaftlichen Leben und generell die Weigerung sich öffentlich zu zeigen wurden ihr als Desinteresse am Geschick Österreichs ausgelegt. Sowohl in sozialer, wie auch in politischer Hinsicht. Sie käme weder ihren kaiserlichen Verpflichtungen nach, noch würde sie sich in angemessener Weise um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, wurde ihr teilweise unverhohlen vorgeworfen. Von der Front aus bat sie der Kaiser, sich öffentlich zu zeigen und ihn damit zu unterstützen: „’Ich bitte Dich, um der Liebe willen, die Du mir geweiht hast, nehme Dich zusammen, zeige Dich manchmal in der Stadt, besuche Anstalten. Du weißt nicht, wie Du mir damit helfen kannst. Das wird die Leute in Wien aufrichten und den guten Geist erhalten, den ich so dringend brauche’“.

6.11. Die Doppelmonarchie. Kaiser Franz Joseph sah die Außenpolitik als eines seiner wichtigsten Tätigkeitsfelder an. Er hielt es für seine ihm von Gott auferlegte Pflicht und Lebensaufgabe, die Geschicke Österreichs besonders auf diesem Gebiet ausschließlich allein zu lenken. Den jeweiligen Außenminister, den „Minister des kaiserlichen Hauses und des Äußeren“ sah er nur als seinen Adjutanten in außenpolitischen Belangen an. Seinem Verständnis nach war er, der Souverän, es allein, der die Verantwortung vor Gott und den Menschen trug. Dies erklärte er im Laufe seiner Regierungszeit immer wieder. Es war jedoch eine weitverbreitete Meinung, dass er trotz dieses Selbstverständnisses in außenpolitischen Belangen keine glückliche Hand oder großes Geschick bewies. Spätestens seit 1866 betrachtete man den Kaiser in Diplomatenkreisen und der Bürokratie als Pechvogel. Bis zu einem gewissen Grad war sich Franz Joseph selbst darüber im Klaren. So schrieb er während der Verhandlungen des Friedensvertrags mit Preußen am 22. August 1866, dem Abend vor dem Abschluss, an seine Mutter: „’Es ist ein Kampf auf Leben und Tod, der noch lange nicht aus ist, und es ist mit Berechnung auf unsere vollkommene Zerstörung abgesehen. Wenn man alle Welt gegen sich und gar keinen Freund hat, so ist wenig Aussicht auf Erfolg; aber man muss sich so lange wehren, als es geht, seine Pflicht bis zuletzt tun und endlich mit Ehren zugrunde gehen’“.

Die außenpolitischen Erfolge von Franz Joseph I. standen also weit hinter den Verlusten zurück. Während seiner Regentschaft verlor das Kaiserreich nach und nach Territorien, Macht und Einfluss. Einzig die Annexion Bosnien-Herzegowinas im Jahr 1908 machte einen Gebietsgewinn aus. Dem Verlust Veneziens und der Lombardei folgte 1866 eine weitere außenpolitische Niederlage. Die Etablierung einer „großdeutschen“ Politik scheiterte an den Ambitionen Bismarcks uns Preußens Führungsanspruch. Der daraus resultierende Krieg zwischen Österreich und Preußen wurde durch eine vernichtende Niederlage der habsburgischen Heere bei Königgrätz zugunsten der aufstrebenden Großmacht Preußen entschieden. Dies war auch das Ende der Führungsrolle Österreichs im Deutschen Bund. 

Die Stellung des Regenten war durch diese Niederlage und den Ausschluss aus dem Deutschen Bund soweit geschwächt, dass liberale Mächte mehr und mehr Auftrieb erhielten und es die oppositionellen Kräfte in Ungarn wagten, Forderungen nach mehr Selbstbestimmung zu fordern. Franz Joseph musste zustimmen. Die Liberalen erhielten endlich ihre ersehnte Verfassung und Österreich wurde 1867 eine konstitutionelle Monarchie. Am 8. Juni legte er den Eid auf die ungarische Verfassung ab. Zusammen mit Elisabeth, die sich sehr für die Interessen der Ungarn starkgemacht hatte, wurde er in der Budapester Matthiaskirche zum König von Ungarn gekrönt. Die beiden Reichsteile waren nun als eigenständige Länder nur durch die Person des Kaisers beziehungsweise Königs geeint und durch die gemeinsame Außen-, Finanz-, Kriegs- und Heerespolitik verbunden. Ungarn hatte eine eigene Verwaltung und konnte autonom über Justiz, Kultur und das Bildungswesen bestimmen. Das Habsburgerreich wurde durch diesen Ausgleich zu einer Doppelmonarchie umgeformt und erhielt durch ein Schreiben des Kaisers die offizielle Bezeichnung „Österreichisch-Ungarische Monarchie“. 

Die Verfassungsgebung brachte nicht nur die Teilung des Reiches, sondern auch dieTeilung der Macht des Souveräns mit sich. Die Volksvertreter hatten nun auch einMitspracherecht. Die wohl weitreichendste Neuerung war die, dass der Kaiser nun auchdas alleinige Verfügungsrecht über die Staatsfinanzen abgeben musste. Bis zu diesemZeitpunkt war ein solcher Zustand für einen Monarchen nicht denkbar. Konkret bedeutet dies, dass Franz Joseph das Hofbudget von den Abgeordneten absegnen lassen musste. Ein Novum im kaiserlichen Österreich, dessen Brisanz dem Kaiser schon während der Verhandlungen zum ungarischen Ausgleich bewusst gewesen war. Zum ersten Mal in der Geschichte des Reiches würde das Hofbudget einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden. Ein Disput über die Höhe des Etats oder gar eine Diskussion über die vermeintliche Verschwendung von Staatsgeldern waren mit der Würde des Kaiserhofes nicht vereinbar.

6.12. Der Erste Weltkrieg. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die politische Lage am Balkan immer brisanter. Parallel dazu wurde offensichtlich, dass das österreichische Militär hoffnungslos veraltet war. Franz Joseph hatte es versäumt Flotte und Heer den modernen Bedürfnissen der Kriegsführung des ausgehenden 19. Jahrhunderts anzupassen. Noch dazu umgab er sich mit militärischen Beratern, die seine konservative Haltung mittrugen, anstatt neue Ideen einzubringen, oder ihn angemessen über den technischen Fortschritt zu informieren. Nach dem Selbstmord des Kronprinzen Rudolf wurde der jüngere Bruder des Kaisers, Karl Ludwig, zum Thronfolger. Nach dessen Tode sein ältester Sohn Erzherzog Franz Ferdinand. Der erzkonservative und antiungarisch eingestellte Erzherzog setzte sich gegen die aggressive Expansionspolitik am Balkan ein und für die Erhaltung des Friedens. In der Öffentlichkeit galt er zu unrecht als antiserbisch. Dennoch zog er sich durch diesen Ruf den Hass der südslawischen Nationalisten zu. Entgegen aller Warnungen besuchte er im Juni 1914 mehrere Manöver in Bosnien und wurde während eines Aufenthaltes in der Hauptstadt Sarajewo erschossen. 

Die Ermordung des Thronfolgers war der Auslöser des Ersten Weltkrieges. Sie führte zunächst zur Unterzeichnung eines Ultimatums an die serbische Regierung, schließlich zur Kriegserklärung. Kaiser Franz Joseph brachte seinem Reich damit einen Krieg, der beinahe zehn Millionen Menschen das Leben kostete und das Ende des Habsburgerreiches einläutete. Auch wenn er diesen Konflikt nie beabsichtigt hatte.73Die Außenpolitik des Kaiserreiches orientierte sich an den Deutschen Ländern, weniger am russischen Zarenreich. 

Bismarck soll über den greisen Franz Joseph gesagt haben: „Wenn der alte Kaiser zu Pferde steigt, werden alle seine Völker ihm folgen“. 

Die Stimmung im Kaiserreich war nach Ausbruch des Krieges, besonders bei den jungen, aristokratischen Offizieren ungebrochen. Man hielt treu und ergeben zu Vaterland und Kaiser Franz Joseph. Was für viele wohl ein und dasselbe war. Erwein Prinz Lobkowicz erinnert sich an die Ausrufung der Mobilmachung am 31. Juli 1914: „Die meisten Truppenteile der Theresienstädter Garnison waren schon vor acht Tagen gegen Serbien mobilisiert worden und bereits nach Süden abgefahren. Es war 5 Uhr, die Nachmittagsbeschäftigung eben zu Ende, als Leutnant Zapp von seinem Spazierritt zurückkehrte; schon von Weitem hörte ich ihn rufen: ‚Allgemeine Mobilmachung!’. 

Also wir auch – Gott sei Dank! Gleich darauf kam der Eskadronkommandant, Rittmeister Comploier, per Rad aus der Stadt in die Kleine Festung gefahren. ‚Alle Chargen in die Kanzlei!’ Dort wurde uns offiziell mitgeteilt, dass endlich Ernst gemacht wurde und der Kaiser uns u den Waffen rief“. 

Im Sommer des Jahres 1916 kippte die euphorische Stimmung in Österreich. Die Zusammenarbeit der Mittelmächte geriet ins Stocken, sodass das Militär nicht an die Kriegserfolge aus dem Vorjahr angeknüpft konnte. 

6.13. Selbstverständnis des Kaisers. „’Ich bin mir seit Jahrzenten bewusst, wie sehr wir in der heutigen Welt eine Anomalie sind’“ 78 , meinte Kaiser Franz Joseph 1915 zu einem österreichisch–ungarischen Diplomaten. Jahrzehnte, in denen der Souverän wiederholt militärische und außenpolitische Niederlagen hatte hinnehmen müssen, waren die Basis dieser Erkenntnis. Dieses Verständnis war auch durch den Vergleich mit den anderen europäischen Großmächten geprägt. In das „Konzert der europäischen Großmächte“ hatten nach den Kriegen von 1859 bis 1881 fünf Mitglieder eingestimmt: Frankreich, Russland, das Deutsche Kaiserreich, das Königreich Italien, Großbritannien und Österreich-Ungarn. 

Zusätzlich zu diesem Gedanken sprach Franz Joseph in beinahe immer gleichen Formulierungen, besonders an den entscheidenden Wendepunkten seines Lebens darüber, dass er sich auf verlorenem Posten sehe. Wenn er und mit ihm die Habsburgermonarchie vergehen müsse, dann wolle er einen Untergang in Ehren erleben. Ein Gedanke, der seinem geradlinigen und soldatischen Charakter entsprach. Dieser Pessimismus ließ den Kaiser in den letzten Jahren seiner Regentschaft vor Entscheidungen und Reformen zurückschrecken. Er war der Überzeugung, dass ein so historisches Staatengebilde keine Erschütterungen in Form von Veränderungen mehr verkraften könne. Aus dieser Einstellung erwuchs ein Generationen-Konflikt, zunächst zu seinem Sohn Rudolf, nach dessen Tod zu seinem Neffen und Thronfolger Franz Ferdinand. Diese voreingenommene Haltung Franz Josephs gegen alles Neue war mit ein weiterer Grund dafür, dass das Kaiserreich unter seiner Herrschaft eine „Anomalie in der heutigen Welt“ blieb.80 Wie ernst Franz Joseph die Wirkung seiner eigenen Äußerungen nahm, zeigt sein Verhalten nach dem Selbstmord des Architekten Van der Nüll. Als Reaktion auf die harsche Kritik des Kaisers an der von Van der Nüll erbauten Wiener Oper erhängte sich der verzweifelte Künstler. Er hinterließ seine Frau mit dem ungeborenen Kind. Das sich ein Mensch wegen seiner Worte das Leben nahm schockierte Franz Joseph derart, dass er sich von da an nur noch außerordentlich zurückhaltend bei öffentlichen Ereignissen äußerte. Um nur ja keine Gefühle zu verletzten, äußerte er sich bei kulturellen Ereignissen nur mehr mit der stereotypen Phrase. „'Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!'“.

© Ludwig Angerer - Helfried Seemann, Christian Lunzer (Hrsg.): Schönbrunn 1860 - 1920 - die kaiserliche Familie in in historischen Photografien, ALBUM Verlag für Photografie, Wien 2006



6.14. Der Alltag des Kaisers. Für Kaiser Franz Joseph begann der Arbeitstag ohne Ausnahme um halb vier Uhr morgens. Sein Leibkammerdiener betrat mit den Worten: „’Leg’ mich zu Füßen Eurer Majestät, guten Morgen’“82. Der Monarch stand auf, erkundigte sich nach dem Wetter und begann sich anzuziehen. Dabei wollte er über die neusten Nachrichten und die Stimmung im Volk informiert werden. Für gewöhnlich zog er die schmucklose Uniform eines Infanterieleutnants einer aufwendigen Prunkkleidung vor. Nach dem Morgengebet begab er sich ohne Umschweife an seinen Arbeitstisch und begann die zurechtgelegten Akten zu bearbeiten. 

Gegen fünf Uhr hielt Hofrat Kerzl, der Leibarzt des Kaisers, eine Morgenvisite ab. Um neun Uhr kam der Generaladjutant zur Audienz, darauf der Chef der Militärkanzlei und der Obersthofmeister. Es folgten die einzelnen Minister und zweimal wöchentlich die allgemeinen Ministerconseils. 

In den letzten zwölf Jahren seiner Regentschaft war Eugen Ketterl als Leibdiener des Kaisers tätig. Er berichtete, dass es Franz Joseph sehr zu schätzen wusste, wenn man ihm offen und ehrlich die Wahrheit berichtete. Ungehalten wurde er nur, wenn er herausfand, dass man ihm etwas verschwieg oder einen Sachverhalt beschönigte. Ketterl versorgte den Monarchen mit Zeitungsartikeln, die Franz Joseph sonst nicht zu lesen bekommen hätte. 

Um zwölf Uhr mittags wurde gegessen. Der Kaiser nahm seine Mahlzeiten immer direkt am Arbeitsplatz ein, um keine unnötige Zeit zu verschwenden. Am Nachmittag widmete er sich wieder den Akten. Abends um sechs Uhr versammelte sich die Familie zum allerhöchsten Familiendine. Auch dieses eher private Essen im engsten Familienkreis war einem strengen Zeremoniell unterlegen. 

Für gewöhnlich ging Franz Joseph gegen neun Uhr abends zu Bett. Bei offiziellen Anlässen wie Galadiners oder den Hofbällen entschuldigte er sich um zwölf Uhr mitternachts.