bunt

© Anna Spindler & Wolfgang Schnuderl / joe - bunt / 2012

Zwei Seiten einer Sache

Zur Herrenausgabe. Es ist nicht gleich Mann, wer wie das sprichwörtliche Rüsseltier dickhäutig durch den Porzellanladen weiblicher Gefühle galoppiert, als gäbe es kein Morgen. Oder röhrend im Walde steht und seine Hauer an den Stämmen wuchtiger Bäume reibt. Die 3 M’s, Muskeln, Macht, Masturbation: Das fällt zum Thema Mann ein - oft zurecht. Meistens kommt dann aber gleich noch ein liebevoll, stark oder „Kann Sachen reparieren“ hinterdrein. Beide Beschreibungen sind ungenügend. Die Testosterontanker, Marke Mann, wackeln mehr oder weniger unbekümmert über den Globus und freuen sich, wenn ab und zu eine schnittige Östrogenschaukel vorbeizieht und neckisch mit den Rückleuchten blinkt. Die Lackierung ist wichtig, Femina-mobila, die sich in den Farben des leidenschaftlich gehassten Konkurrenz-Klubs präsentiert, wird dann schon mal beim Überholen abgedrängt. Blitzt unter dem abblätternden Lack dann aber die blanke Karosserie durch, ist die Verschalung schnell vergessen. Solch ein Bild streift die Frage auch nur rudimentär. Aber es hilft. Testosteron hilft. Auch wenn es in Überdosis vieles von dem zunichtemacht, was Mann sich mühsam an Ruf als Dichter, Denker, Führer und Verführer aufgebaut hat. Testosteron als Schmiermittel des maskulinen, mannigfaltigen Mysteriums. Testosteron als Leitbild dieser vielfarbigen Ausgabe, die sich um und für und über euch, Männer, dreht. Und darüber wie bunt diese Welt ist, in der wir uns fragen: Wie sind wir eigentlich. Bunt oder manchmal auch farblos, facettenreich in jedem Fall, egal ob Mann, Macker, Jüngling, Herrchen, Gentleman, Monsieur, Alter, Kerl, Y-Chromosom-Träger, Bub oder Bursche. 

Zur Damenausgabe. Es ist nicht gleich Frau, wer sich im kichernden Kollektiv hilflos gibt und aus Prinzip irgendwelche Wehwehchen hat. Oder auf Nachfrage nicht zumindest ein Dutzend persönliche Probleme aufzählen kann, die in ihrer Brisanz nur knapp unter einem mittelschweren Weltuntergang rangieren. Auch mit Anmut, Sinnlichkeit und „Du hast die Haare schön“ ist auch noch lange keine Frau beschrieben. Die drei K’s – Kinder, Küche, Kirche – haben ohnedies schon lange ausgedient. Vielleicht sind Frauen ja kunterbunte Wandelgestirne, die mit ihrem ebenso irisierenden Schweif aus Östrogenen in das dunkle Universum hinaus leuchten und es in immer anderen Farben und Schattierungen erstrahlen lassen. Um sie kreisen winzige, testosterongetriebene Satelliten und warten auf eine Landefreigabe. Und nur wenn diese erfolgt, ist auch auf den Gestirnen Leben möglich. So ist Östrogen der Botenstoff dieses so schwer zu definierenden, unfassbar Weiblichen. Der weibischen Unfassbarkeit, welche die Frauen tagtäglich selber in eine subtile Art von Wahnsinn treibt und die Herren der Schöpfung ohnedies schon in den manikürten Klauen hält.Und damit ist Östrogen gleichsam auch Leitmotiv dieser vielfarbigen Ausgabe, die sich um und für und über euch, Frauen, dreht. Und darüber, wie bunt diese Welt ist, in der wir uns fragen: Wie sind wir eigentlich. Bunt oder manchmal auch farblos, facettenreich in jedem Fall, egal ob Mädchen, Frau, Fräulein, Lady, Madame, Alte, Olle, Ische, Dame, Weib oder Maid.

Werkbericht. Wer es noch nicht beim Aufheben bemerkt hat, der kann es hier noch einmal schwarz auf weiß nachlesen: joe 7 ist etwas ganz Besonderes. Zu Beginn des Jahres balancierte die joe-Redaktion auf einem Scheideweg – wir standen vor der Frage: Wie kann man die verschiedenen Interessen, Standpunkte und Erwartungen der vielen Menschen, für die es joe gibt und die damit zu tun haben, unter einen Hut bringen. Unsere Bilanz: es geht nicht. Zumindest nicht in der Form, die joe noch zu Beginn des Jahres hatte. Die Lösung: eine Doppelausgabe. Eine, die nicht nur die Vielfalt und Unterschiede zwischen Frau und Mann behandelt, sondern auch Gemeinsamkeiten mit dem Titelthema „Bunt“ aufgreift und damit vereint. Mit dieser Doppelausgabe knackt joe zum ersten Mal die Marke von 80 Seiten. Und so wie es kurz hinter München den Weißwurscht-Äquator gibt, jenseits dessen man in die exotischen Länder der Preußen kommt, so gibt es auch im Journalismus diese imaginäre Grenze von 80-Seiten, hinter der es für jedes Magazin völlig neue, phantastische Möglichkeiten aber auch Risiken gibt. Eine Klebebindung ist da nur der Anfang. 

Mitmachen. Jedes Mal, wenn eine neue Ausgabe in den Druck geht, wirken daran andere mit. Auch joe 7 konnte nur entstehen, weil sich unterschiedliche Menschen dafür eingesetzt haben. Mit ihrem Engagement, ihrer Zeit, ihren Ideen und ihrem Können ist joe möglich. Das Einzige, was in der Arbeit der joe-Redaktion in Stein gehauen bleibt, ist der Bedarf an immer neuen Menschen, die ihren Teil zu joe beitragen. Mitmachen kann und soll jeder. Vollkommen gleichgültig, ob mit der Kamera oder dem Zeichenstift in der Bildredaktion, als Autorin mit Notizblock und gezücktem Kugelschreiber, als Lektorin oder was auch immer eure Interessen sind. MACHT MIT! Schreibt ‘ne Mail oder sucht joe auf facebook. Kontakt: joe@fh-joanneum.at