Personenkult und Propaganda der Habsburgermonarchie – Eine Darstellungsanalyse Kaiser Franz Josephs I.
Forschungsbereiche:
1. Medien im Kaiserreich
2. Pressepolitik 1848-1918
3. Haus Habsburg und Kaiser Franz Joseph I.
4. Schicksalsschläge und Echo in der Presse
5. Herrschertum und Öffentlichkeit
5. Pressepolitik 1848-1918
„’Die
Presse ist eine große Gewalt. Gewalten müssen, sollen sie nicht
gefährlich sein, stets geregelt werden’“33. Diesem Ausspruch Fürst
Metternichs folgend, richtete sich die Pressepolitik der
Habsburgermonarchie unter Kaiser Franz Joseph aus.
5.1. Tendenzen. Mit
dem Siegeszug der Massenpresse in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts konnten der Kaiser und die Regierung die Meinung der
Öffentlichkeit nicht mehr völlig ignorieren. Die Liberalisierung der
Pressegesetze machte es der staatlichen Macht unmöglich, die politische
Öffentlichkeit und die generelle öffentliche Meinung weiterhin links
liegen zu lassen. Besonders in der Außenpolitik wurden Diplomatie und
Pressepolitik zu korrespondierenden Elementen. Wobei es immer auf den
jeweiligen Außenminister ankam, welche Form und Ausprägung diese
Interdependenz zwischen Presse und Politik annahm.
Als
Vorbilder dieser Entwicklung galten das geschickte Taktieren und die
propagandistische Ausnutzung der Medien durch den Kaiser der Franzosen
in den Napoleonischen Kriegen. Nachdem sich jedoch die Publizisten ab
dem Revolutionsjahr 1848 ihrer Macht bewusst geworden waren, konnten der
Hof und die Regierung die politische Öffentlichkeit nicht mehr, wie
bisher, von Entscheidungsprozessen ausklammern. Dabei blieb es, getreu
dem Ausspruch von Fürst Metternich – es sei geradezu gefährlich, die
öffentliche Meinung zu verachten – immer das unausgesprochene Bestreben
des Kaisers und seiner Chargen, die Medien als Sprachrohr der Regierung
zu domestizieren.
5.2. Positive und negative Pressepolitik. Es
wurde zum allgemeinen Anwendungsschema der staatlichen Pressepolitik,
imVorfeld brisanter Entscheidungen, die Medien soweit zu beeinflussen,
dass derenBerichterstattung nur ins Positive geraten konnte oder
diplomatisches Vorgehennachträglich durch die Presse rechtfertigen zu
lassen. Bis zu dieser „positiven“Trendwende in den Sechzigerjahren des
19. Jahrhunderts sah sich die Presse jedochgrober Repressalien
ausgesetzt. Polizeistaatliche, repressive Methoden waren an
derTagesordnung. Die Medien wurden überwacht und reglementiert;
oppositionelle,politische Öffentlichkeit präventiv untersagt. Begonnen
hatte diese Handhabung mit derzu Beginn noch reduzierten Anweisung:
„allfällige Entstellungen und Unrichtigkeiten in der Presse“, als auch
„Angriffe und Schmähungen“35 der Revolutionären Strömungen zu
unterbinden. Solche Maßnahmen sollten zur völligen Vernichtung jedweder
Opposition beitragen. Dieser absolutistischen Interpretation einer
„negativen“ Pressepolitik waren amtliche Pressestellen, das
„Preßleitungscomitee“ und „Preßleitungsbureau“ verpflichtet. Abgesehen
von der Beschlagnahmung unerwünschter Publikationen war es auch die
Aufgabe dieser Institutionen, einen größtmöglichen Einfluss auf die
Zeitungsredaktionen im In- und Ausland zu erlangen.
5.3. Öffentlichkeitsbildung im Ausland. Durch
die österreichfreundliche Haltung der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“
und das Wirken des Publizisten Johann Sporschil konnten im deutschen
Ausland das Generalkonsulat in Leipzig, die
Bundespräsidialgesandtschaft in Frankfurt und die Gesandtschaften in
Stuttgart, Karlsruhe und München Erfolge einer positiven Pressepolitik
verzeichnen. Sie galten als Zentren der pressepolitischen Aktivitäten
Österreichs in Deutschland. Von einer effizienten Pressepolitik im
Ausland waren diese Stellen allerdings noch weit entfernt.
Festgefahrene, organisatorische Strukturen und eine starre, konservative
Meinung verhinderten ein Umdenken der Öffentlichkeit. Der verdiente
Diplomat und General Graf Anton Proschek von Osten schrieb über das
Verhältnis der Medien: „’Solange wir in Österreich die Presse nicht
unter die Regierungswerkzeuge aufnehmen, wird uns die öffentliche
Meinung ... Stets große Hindernisse entgegenstellen und niemals Hilfe
leisten. Ich verstehe aber darunter weit weniger Regierungsjournale als
die den Literaten überhaupt zu gebende Richtung und die Kunst, die
Oppositionsjournale zu gewissen Zwecken dienstbar zu machen’“.
In
den Sechzigerjahren wurde die Verantwortung für das Preßleitbureau an
den erfahrenGeneralkonsul Joseph Grüner übertragen. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte er inNorddeutschland einiges an Erfahrung mit
pressepolitischen Aktivitäten sammelnkönnen. Er strukturierte die
Institution um und schuf so die Basis einer zentralistischkoordinierten
Pressepolitik für die Monarchie. Hernach wurde die Presseleitung
vonAußenminister Friedrich Freiherr von Beust dem Ministerratspräsidium
unterstellt. DenGroßteil der Presseagenden überantwortete er der neu
installierten Präsidialsektion imMinisterium des Äußeren – dem
Departement III. Von dort aus wurden nunmehr alle in-und ausländischen
Medien unter dem direkten Einfluss des Reichskanzlers gesteuert.Auch
unter Mitberücksichtigung der ungarischen Presse. Finanzielle und
administrative Angelegenheiten der inländischen Zeitungen wurden
weiterhin vom Innenministerium betreut.
Dabei
bestand die neue Taktik von Beust darin, gezielt einzelne Journalisten,
unabhängige Zeitungen oder Nachrichtenbüros unter seine Kontrolle zu
bringen und nicht mehr, wie seine Vorgänger durch die Gründung
offizieller Zeitungen eine gouvernementale Presselenkung zu
installieren. So wurde versucht indirekt, offizielle Meldungen zu
lancieren. Auch nach dem die Preßdepartementes in den Siebzigerjahren
umstrukturiert wurden – es gab ab 1870 ein eigenes Preßdepartement im
Ministerratspräsidium und ab 1877 ein selbstständiges „Literarisches
Bureau“ – galt diese Strategie als routinemäßige Öffentlichkeitsarbeit
des Ministeriums für Äußeres.
Ein
Memorandum aus dem Jahr 1877 gibt Aufschluss darüber, dass sich die
zuständigen Beamten sehr wohl der Brisanz ihrer Tätigkeiten bewusst
waren. Es spricht davon: „Dass die risikoreiche Arbeit der Pressepolitik
jederzeit garantieren müsse, dass die ‚freundschaftlichen Beziehungen’
zu Redaktionen und Journalisten nicht den Regierungsstandpunkt
kompromittieren und jene Blätter, trotz der wohlwollenden Haltung einen
gewissen Grad an Objektivität behalten, denn die Aufdeckung intimer
Kontakte zu Journalisten und Zeitungsredakteuren oder die Enthüllung
pressepolitischer Praktiken würde die publizistischen
Wirkungsmöglichkeiten auf Jahre hinaus zerstören’“39.Strikte
Sicherheitsbestimmungen und strengste Geheimhaltung waren die logische
Konsequenz für eine fruchtbare Öffentlichkeitsarbeit im Ausland.
Die
Missachtung dieser Vorgabe konnte schwerwiegende Konsequenzen für
alleBeteiligten haben. Eindrucksvoll zeigt dies das Schicksal des
deutschnationalausgerichteten Professors Heinrich Friedjung 1909. Er
galt seinerzeit als einer derangesehensten Historiker der
Habsburgermonarchie. Eng mit dem Außenminister AloysLexa von Aehrenthal
in Kontakt stehend, veröffentlichte er während der bosnischenKrise von
1908 eine historische Rechtfertigung der österreichungarischen
Balkanpolitik.Er bezog sich dabei auf Quellen aus dem Ministerium, die
sich jedoch als Fälschungenherausstellten. In dem darauf folgenden
Prozess wurde ihm vorgeworfen, leichtgläubigfalsche und diffamierende
Dokumente verbreitet zu haben. Die Gerichtsverhandlungkostete den
Historiker seine letzte Reputation. Bereits Jahre zuvor verlor er
seineProfessur, nachdem er mit großer Medienstreuung eine harsche Kritik
amösterreichischen Ausgleich mit Ungarn publiziert hatte. Doch auch
das Ansehen derRegierung war durch diese Blamage angekratzt. Der Skandal
ging als „Friedjung-Affäre“ in die Geschichte ein.40 Wie schmal der
Grad zwischen Erfolg und Misserfolg war, zeigen die Kontakte zur
„süddeutschen Presse“. Dort konnten zwar einzelne Meldungen propagiert
werden, darüber hinaus wurde aber durch den Redakteur und ehemaligen
Politiker Julius Fröbel, den preußischen Pressestellen das Vorgehen des
österreichischen Preßdepartements verraten.
Ein
anderer Fall war die unstete Laufbahn des Journalisten Julius Lang. Der
selbst ernannte „älteste Veteran der Wiener Journalistik“ arbeitete
nach seiner Zeit als aktiver Publizist, nächst als Beauftragter des
Wiener Informationsbüros in Schleswig-Holstein, 1866 gelobte er der
Presseleitung in Wien, seine Tätigkeit den „Interessen des
Kaiserstaates“41 zu widmen. Darauf wurde er in Bayern und Ungarn
eingesetzt. Allerdings war er als Agent der Berliner Pressestelle
tätig. 1870 versuchte er dann erneut eine Anstellung beim Literarischen
Bureau in Wien zu bekommen. Auch in den Beziehungen zu einzelnen
Individuen galt es also, Vorsicht walten zu lassen.
Auch
wenn sich das Vorgehen des pressepolitischen Apparates durch
Presseakten nachvollziehen lässt, bleibt es in den seltensten Fällen
klar nachvollziehbar, ob die von höchster, das heißt kaiserlicher
Instanz, angeordnete Berichterstattung auch wirklich im Sinne von Staat
und Souverän durchgeführt wurde.
5.4. Das Literarische Bureau. Seit
1870 gestaltete sich die Kooperation mit anderen Behörden des
Regierungsapparates relativ kontinuierlich. Das persönliche Engagement
des Pressechefs und die finanzielle Lage des politischen
Informationsdienstes blieben jedoch die wichtigsten Faktoren, an denen
sich eine wirkungsvolle Arbeit des Literarischen Bureaus festmachte. Oft
reichten die vorhandenen Geldmittel jedoch nicht einmal für die
„systemisierten" Auslagen für "Preßzwecke“. Die Kontaktpflege zu den
Publizisten und eine Informations- und Beobachtungstätigkeit wurden die
zentralen Aufgaben der Pressestelle am Wiener Ballhausplatz.
Im
Ausland waren die Konsulate und Botschaften für die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Die unverhohlene Verachtung, zumeist
adeliger Diplomaten gegenüber den Journalisten, gestaltete die
Zusammenarbeit mit ausländischen Medien oft schwierig.
5.5. Propaganda, Zensur und Pressepolitik im Ersten Weltkrieg. Im
Ersten Weltkrieg führten maßgeblich Oskar Ritter von Montlong und
Friedrich von Wiesner die Öffentlichkeitsarbeit des Kaiserreiches. Sie
arbeiteten dabei eng mit dem Kriegsüberwachungsamt und dem
Kriegspressequartier zusammen. Die mit Kriegsbeginn eintretenden
Veränderungen zogen eine verschärfte Zensur und die Beschneidung der
publizistischen Freiheiten nach sich.
Durch
das Inkrafttreten der Ausnahmegesetzgebung wurde eine verschärfte und
annähernd lückenlose Zensurpolitik ausgeübt. Dies ging soweit, dass
in den letzten Kriegsjahren sogar private Kommunikation durch die
Briefzensur nicht mehr gewährleistet war. Schon mit dem Eintrag im
„’Dienstbuch J-25a. Orientierungsbehelf über „Ausnahmsverfügungen“
für den Kriegsfall für die im Reichsrate vertretenen Königreche und
Länder’“ hatten Militär und Regierung 1912 Maßnahmen zur Regulierung
und Kontrolle der öffentlichen sowie privaten Meinung im Fall einer
kriegerischen Auseinandersetzung festgelegt. Dieses Zensursystem hatte
den Anspruch jegliche bürokratisch erfassbaren Kommunikationsformen zu
erfassen. Dies schloss nicht nur die Presse, sondern auch den
Telegrammverkehr, das Postwesen, Fernsprechverkehr, Filmproduktion,
veröffentlichte Fotografien bis zur Haltung von Brieftauben jegliches
Mittel der Kommunikation ein. Alles unter dem Vorwand, zu verhindern,
dass kriegswichtige Informationen an die Gegenparteien weitergegeben
werden.
Die
Zensur über periodische erscheinende Druckschriften wurde den Justiz-
und V erwaltungsbehörden im jeweiligen Verwaltungsgebiet zur Aufgabe
gegeben. Militärberater unterstützen diese Staatsanwaltschaften,
Polizeidirektionen oder Präsidien der politischen Landesbehörden.
Jeder Verwaltungsbehörde blieb es selbst überlassen, in welchem
Zeitraum die Herausgeber von Zeitungen, Zeitschriften und Ähnlichem
„Pflichtexemplare“ der Zensurstelle vorzulegen hatten. Strafmaßnahmen
konnten unterschiedliche Ausmaße annehmen. Diese reichten von einer
Beschlagnahmung über die Beschneidung der Verbreitungsrechte bis zur
völligen Einstellung des Blattes.
Das
Aufteilen der Zensurkompetenzen auf die Verwaltungsapparate,
Militärinstanzen und Justizbehörden führte zu ständigen
Auseinandersetzungen über die Zuständigkeit und Auslegung der Zensur.
Dies schuf eine restriktive, pedantische Zensurpraxis unter der
besonders die oppositionellen Medien zu leiden hatten. Ausländische
Zeitungen aus den Ländern der Kriegsgegner dürften prinzipiell nicht
verbreitet werden. Durch diese Maßnahmen war die Bevölkerung
größtenteils von unerwünschten Informationen abgeschnitten.
Dem
gegenüber stand eine starke Ausweitung der Propagandatätigkeiten
durch die Einführung des Mediums Film und die Ausprägung der
Öffentlichkeitsarbeit über die schon etablierten Printmedien im In-
und Ausland. Während des Ersten Weltkriegs waren Italien, Rumänien und
die neutralen Staaten Europas das primäre Ziel der
Öffentlichkeitsarbeit. Von den neutralen Staaten ist speziell die
Schweiz zu nennen, da es der Preßleitung in Wien galt, die vielen
Auslandsösterreicher in der Schweiz zu erreichen und sich deren
Unterstützung zu sichern.
Besonders
in Italien war ein hohes Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit
dringend notwendig, um die von der Entente-Propaganda durchdrungene,
italienische Presse nicht vollends in eine anti-österreichungarische
Tendenz fallen zu lassen.
Im
Verlauf des Krieges gingen über 1000 Weisungen an die Zensurbehörden.
Der maßgeblich durch die strengen Zensurbestimmungen etablierte
„Kriegsabsolutismus“ hatte durch eben diese eine annähernd
vollständige Knebelung der öffentlichen Meinungsbildung bewirkt. Die
merkbare Willkür der Zensurbeauftragten hatte einen Vertrauensbruch
gegenüber der Regierung, aber auch für die Medien zur Folge.